Im vergangenen Jahr wurde von mir über eine „Rettungsaktion am Seeadlerhorst in Nordrhein-Westfalen“ berichtet. Diese Rettungsaktion hat sich gelohnt und ist für den Jungadler gut ausgegangen.
Zufällig sah ich einen Film im NDR zum Thema „Babyboom in der Baumkrone“. Dieser Film war so interessant, dass ich ihn an dieser Stelle in Auszügen wiedergeben will, zumal der junge Seeadler vom Niederrhein hier eine bedeutende Rolle spielte.

Es ging um den Seeadlernachwuchs in Norddeutschland und mit ihm um alle Probleme im Zusammenhang mit dem Seeadlerschutz.

Im Film wurde das deutsche Seeadlerparadies Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. Rund 1000 Seeadler ziehen dort ihre Kreise. Das ist für Deutschland ein gewaltiger Erfolg, war doch der Wappenvogel der BRD in den 1980 er Jahren bei uns fast völlig verschwunden.

100 ehrenamtliche Helfer setzen ihren Jahresurlaub, erhebliche Mittel für Gläser, Spektive, Drohnen, Drohnenführerschein, KFZ-Verschleiß, und vieles mehr ein, um der Wissenschaft und den zuständigen Ämtern zu helfen. Sie sind Augen und Ohren der Verwaltung und der Forschung. Ihr Dienst ist unersetzlich. Unter ihnen sind viele Freiberufler, wie Landschaftsplaner und Bauunternehmer, die in ihrer Terminplanung weitestgehend frei sind. Jeder Interessierte ist in dieser Gruppe herzlich willkommen.
Ein Kreis mit einem Radius von 100 m, rund um den Horst, darf ganzjährig nicht betreten werden. In einem Kreis mit einem Radius von 300 m ruhen jegliche Waldarbeiten und jagdlichen Aktivitäten. Diese Schutzzonen werden regelmäßig kontrolliert.

Die Brut eines Seeadlers beginnt im März und dauert 38 Tage.

Die Beringung, durch die ehrenamtlichen Helfer, erfolgt bei den Jungvögeln im Alter von vier bis neun Wochen. Baumkletterer machen diese Beringung der Vögel erst möglich. Bei einer solchen Aktion auf der Insel Poel wurde es sehr spannend.

Ein Jungvogel wurde ausgewildert

Es ging um die Auswilderung eines Jungvogels, dessen Vater auf einem Feld am Niederrhein verendet gefunden wurde. Seine Mutter konnte nicht gleichzeitig für sich jagen und ihren Jungvogel hudern. Ihn erwartete daher der Kältetod.

Aus dem Grunde wurde das drei Tage alte Küken dem Horst entnommen. Das unversehrte Ei neben ihm, war verloren. Die Greifvogelstation auf dem Gelände der Weseler Schill-Kaserne päppelten den Vogel als „Kaspar Hauser“ der Seeadler auf und übergab ihn der Greifvogelstation des Wildparks Eekholt in Heidemühlen.

Dort sollte das Sorgenkind weiterhin gut versorgt und auf seine Auswilderung vorbereitet werden. Das Küken war zu einer für Seeadler ungewöhnlich frühen Zeit geschlüpft.

Und genau dort lag das Problem. Es musste ein Adlerhorst mit nur einem in etwa gleichaltrigen Jungvogel für die Auswilderung des Findelkindes gefunden werden.

Adlerhorst auf der Insel Poel

Auf der Insel Poel fand man einen Horst mit diesen Voraussetzungen. Das dort vorgefundene Küken war zwar vier Tage jünger als der auszuwildernde Vogel, aber da es sich um einen weiblichen Adler handelte, war der Größenunterschied nur noch gering. Das Bangen war jedenfalls groß. Man wusste nicht, ob der vorhandene Jungvogel den Neuankömmling überhaupt akzeptieren und ob die Adlereltern die weitere Fütterung und die Ausbildung des Jungvogels übernehmen würden.

Hier leisteten die Naturschützer Pionierarbeit, denn ein solches Experiment wurde bisher noch nicht dokumentiert. Der kaum zu bändigende Jungvogel wurde beringt, sein Geschlecht noch einmal bestimmt und die Daten dokumentiert. Er erhielt nunmehr die Nummer XY 38.

Zum ersten Male in seinem Leben sah der auszuwildernde Jungvogel einen Adler, einen Horst hoch in den Bäumen und die weite Landschaft seines neuen Zuhauses, sah den blauen Himmel und spürte den Wind der Ostsee in seinem Gefieder.

Er benahm sich wie ein Halbstarker, schlug mit den Schwingen und stellte sich auf den Rand seines neuen Zuhauses. Sein zukünftiges Geschwister lag ausgestreckt in der Mitte des Horstes und rührte sich nicht.
Als Überbrückungsmahlzeit wurden Fische in den Horst geworfen. Die Altvögel kreisten über ihn und beobachteten das Geschehen ununterbrochen.

Und – es hat geklappt. Schon am folgenden Tag fütterten die Eltern beide Nestlinge. Die Jungvögel erlebten die Ästlingsphase und verließen danach den Bereich des elterlichen Revieres.
Das Experiment ist gelungen. Die beteiligten Naturschützer dürfen sich über ihren Erfolg freuen.
Soweit der Beitrag über die Auswilderung unseres „Kaspar Hausers“ der Seeadler.

Im Bericht wurde ein sehr kranker noch lebender Seeadler gezeigt. Dieser Vogel litt unter einer starken Bleivergiftung und konnte nicht mehr gerettet werden. Er war apathisch. Sein Kopf drehte sich ständig. Seine Lichter schienen eingetrübt. Er bot ein Bild, das Mitleid erregte. Die Mitarbeiter des „Leibnitz – Institutes für Zoo und Wildtierforschung“ in Berlin, brachten es auf den Punkt.

Die Bleivergiftung ist unter Seeadlern mit rund 25% die Todesursache Nummer 1. Ihr folgen Kollisionen mit der Bahn, Kollisionen mit Windrädern und Stromschläge an Überlandleitungen.

Nur in fünf Bundesländern und in Dänemark ist der Einsatz von bleihaltiger Munition verboten. In Mecklenburg-Vorpommern allerdings nur im Bereich der Staatsjagden. Bitte schauen Sie sich alle diese Aufnahmen an. Sie rütteln auf. Ich empfehle dringend, dass alle Jäger, die noch bleihaltige Munition verwenden, den Aufbruch erlegter Stücke mitnehmen und nicht im Walde belassen. Zu Hause kann er der Tierkörperbeseitigung zugeführt werden. Damit wird dem Seeadler sicherlich ein großes Stück weitergeholfen.

Gerd Tersluisen (Hegerin Gladbeck)

Kaspar Hauser: Ein im Jahre 1828 in Nürnberg aufgetauchter Junge. Er wurde von einem Schulmeister aufgenommen und erhielt von ihm seinen Namen. Der Junge war geistig auf dem Stand eines Kleinkindes. Man vermutete, dass er sein ganzes Leben, völlig abgeschieden von anderen Menschen und in völliger Dunkelheit, in einem Verließ verbracht hatte. Spekulationen um seine Herkunft trieben Blüten. Im geschätzten Alter von 18 Jahren wurde der Junge mit einem Messer umgebracht.
In der Verhaltensbiologie werden Tierversuche, unter ähnlichen Bedingungen wie sie Kaspar-Hauser erlebte, durchgeführt. Mit ihnen erforscht man, welche Verhaltensweisen angeboren und welche Verhaltensweisen erlernt werden.

Quelle:

  • NDR „Babyboom in der Baumkrone“. Dieser Film ist in der ARD unter dem hier angegebenen Namen abrufbar. Ich empfehle diesen Film.
  • NRZ-Kreis Wesel, vom 03.06.2024, Frau Susanne Zimmermann; Fotos: Peter Malzbender, NABU-Kreisverband Wesel

Fotonachweis:

  • Foto Peter Malzbender NABU Wesel
  • Foto Gerd Tersluisen

Bildnachweis:

  • Seeadler: Gerd Tersluisen
  • Seeadler: Peter Malzbender NABU Wesel