Die Natur hält täglich für jeden Jäger und Naturliebhaber neue Wunder bereit. Derjenige, der die Lebewesen unserer Umwelt nicht nur durchs Zielfernrohr sondern auch durch eine klarzeichnende jagdliche Optik betrachtet, darf sie bestaunen. Er wird viele Zusammenhänge erkennen, die anderen verschlossen bleiben. Überraschungen gibt es zuhauf.
Frühpirsch zu einer Beobachtungsplattform
Ich pirschte am 10.05.2025 in aller Frühe zu einer Beobachtungsplattform in meiner Heimatstadt Dorsten (NRW). Die Plattform steht am Rande einer Absenkungsfläche des Bergbaus, einem riesigen Teich der mit Wasser vollgelaufen ist. Das Feuchtgebiet besitzt einen Wasserstand von 20-50 cm. Es ist zu den Zug- und Brutzeiten unserer Vögel ein Treffpunkt für Ornithologen, Jäger und Naturfreunde.
Die Sensation
Beim Aufsteigen sah ich in etwa 120 m Entfernung einen weißen Reihervogel, der seinen Schnabel unter Wasser hielt und ihn in sichelförmigen Bewegungen durchs Wasser führte.
„Das ist ein Löffler!“, schoss es mir blitzartig durch den Kopf. Schnell hatte ich mein Stativ aufgebaut und die Kamera in Schussposition gebracht. Da fiel ein weiterer Löffler ein und kurz darauf ein dritter.
Ich musste zuerst einmal tief durchatmen.
„Löffler in Dorsten. Das kann doch nicht wahr sein. Das ist eine Sensation!“, schoss es mir durch den Kopf.
Ein weiterer Fotograf und ein mir bekannter Ornithologe richteten Kamera und Spektiv auf die Vögel und ließen sie nicht mehr aus den Augen.
Ich schoss an diesem Morgen ca. 240 vorzeigbare Aufnahmen. Da häusliche Aufgaben auf mich warteten, beendete ich meinen Besuch auf der Plattform und fuhr nach Hause.
Am nächsten und am übernächsten Tag war ich wieder vor Ort und hatte ähnliche Erlebnisse. Die beiden Vogelfreunde vom 1. Beobachtungstag berichteten mir, dass kurz nach meinem Aufbrechen zwei weitere Löffler eingeflogen seien. Sie zeigten mir Aufnahmen der fünf Vögel, die nunmehr gemeinsam das Wasser nach kleinen Lebewesen durchseihten.
Nach der dritten Beobachtung sah ich noch einmal einen der schrägen Vögel mit dem langen Gesicht. Er verschwand aber in einer Schilfbucht der Absenkungsfläche und blieb für mich unsichtbar. Das war meine vorerst letzte Beobachtung dieser seltenen Schreitvögel.




Was sagen die Bestimmungsbücher zu diesem Vogel?
Zu Hause durchstöberte ich die Fachliteratur nach Löfflern. Bis zum Jahre 1960 wird der Löffler in keinem mir vorliegenden Buch überhaupt erwähnt. Seine Sichtung in Deutschland war offensichtlich unbedeutend.
In einem Buch des Jahres 1960 wird der Löffelreiher als seltener Durchzug im Südosten und an der Nordsee aufgeführt. Als Brutgebiet wird Holland genannt.
Von Holland kommend brütet der Löffler, seit dem Jahre 1990, in mehreren Kolonien auf den deutschen Nordseeinseln. Diese Inseln sind frei von Prädatoren und eignen sich daher besonders für die ruhige Aufzucht der Jungvögel.
Von seinem Hauptbrutgebieten in Holland, flogen ab 2003 einige Löffler bis zum großen Naturschutzgebiet Bislicher Insel bei Xanten (NRW). Dort konnte ich einige Belegfotos der rastenden Vögel auf eine Entfernung von 400 m schießen.
Das erste Brutvorkommen in NRW
Zufällig entdeckte ein Ranger des Grundstückseigentümers, des Regionalverbandes Ruhr, im Jahre 2020 ein erstes Brutvorkommen. Seitdem ist der Löffler dort ständiger Brutvogel.
Zwei Sensationen in einem Brutgebiet: Die erste erfolgreiche Seeadlerbrut in NRW und der erste Fund einer Brutkolonie der Löffler.
Da müssen doch Grundstückseigentümer und Naturschützer alles richtig gemacht haben.
Hand aufs Herz. Wer kennt schon einen Löffler?
Die meisten von ihnen, verehrte Leser, haben noch nie etwas von diesem Vogel gehört. Er ist weder besonders bunt und groß noch gefährlich.
Als Vogel ist er ziemlich schräg. Knapp reihergroß, weiß-grau-gelb, mit einem Federschopf, langen schwarzen Ständern und einem mächtigen schwarzen Schnabel. Dieser Schnabel ist unten orangegelb und löffelartig ausgeformt. Er erinnert an eine langstielige Bratpfanne.
Das ist unter den Vögeln Europas eine eklatante Ausnahme. Ansatzweise findet man ihn bei den Löffelenten.
Die Form des Schnabels eignet sich hervorragend zum Seihen. Dabei wird er, wie ein Uhrpendel, im Wasser hin und her geschwenkt. Mit ihm filtert der Vogel Wasserinsekten, Froschlaich, Krustentiere und Fische aus dem Flachwasser. Größere Tiere werden hochgeworfen und geschluckt.
Ja, da sind dann noch der orangefarbene Kehlsack aller Vögel und die schwarzen Flügelspitzen der Jungvögel, die jedem Beobachter sofort auffallen.
Der Löffler – ein Zugvogel
Von August bis September ziehen die Vögel in ihre Winterquartiere nach Afrika. Sie kehren in den Monaten März bis April in ihre Brutreviere zurück.
Der Bestand in Holland und Deutschland wird auf ca. 5000 Brutpaare geschätzt. Tendenz steigend. Weitere Populationen findet man am Neusiedler See und in den Sümpfen Ungarns. Doch schauen sie sich die angefügten Aufnahmen an. Mir war es in drei Tagen vergönnt, Löffler beim Schreiten an Land, bei der Nahrungsaufnahme im Wasser, beim Putzen des Gefieders, bei der Nahrungsübergabe unter Partnern (Brautgeschenke) und im Flug aufzunehmen.
Das nennt man hier im Ruhrgebiet: Dummenglück!
Panta Rhei!
Eine ornithologischen Sensation folgt der anderen. Die eine Art kommt, die andere Art geht.
Wie sagte der griechische Philosoph Heraklit (um 500 vor Christus) noch:
„Panta Rhei!“ (Alles fließt!)
Waidmannsheil!
Ihr Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)
Quellen:
- Vögel an Seen und Flüssen, Verlag Lingen
- Was fliegt denn Da? Verlag Kosmos, Auflagen 1960 und 2016
- Enzyklopädie der europäischen Vogelwelt, Verlag Tosa
- Nachfragen, Naturforum Bislicher Insel
