Rettungsaktion am Seeadlerhorst in Nordrhein-Westfalen

„Seeadler in NRW, das gibt es doch nicht!“, höre ich den einen oder anderen ausrufen.
Doch, in meiner Heimat gibt es mindestens ein, wahrscheinlich aber schon zwei Seeadlerpaare, die sich im Bereich des Niederrheines angesiedelt haben.

Seit 2017 zieht alljährlich ein Paar unserer Wappenvögel seinen Nachwuchs auf dem Gebiet der Bislicher Insel (Xanten) erfolgreich auf.

Im Jahre 2022 gab es ein Problem. Während der Brutsaison verschwand der männliche Vogel und wurde nie wieder gesehen. Da die Jungvögel bis dahin schon befiedert waren und nicht mehr gehudert werden mussten, brachte sie der weibliche Altvogel erfolgreich durch. Der Regionalverband Ruhr und seine Betreuer des Naturschutzgebietes befürchteten eine Verweisung des Horstes. Doch es kam anders.

Einflug des Adlerpaares im Jahre 2023

Am 07.02.2023 flog der weibliche Altvogel, gefolgt von einem jüngeren männlichen Vogel, in den Brutbereich des Schutzgebietes ein.

Ich hatte das Glück, beide Vögel bei ihrem Einflug zu fotografieren. Sie flogen genau über mich hinweg und das bei azurblauem Himmel.

Die folgenden Aufnahmen zeigen das ältere Weib, zu erkennen am gelben Schnabel und am weißen Stoß, sowie den jüngeren männlichen Vogel, mit schwarzer Schnabelspitze und dunklem Stoß.
Ich konnte mein Glück nicht fassen. Wenn man vierzig KM überwinden muss und dafür fünfundvierzig Minuten benötigt, fährt man nur wenige Male im Jahr in dieses Schutzgebiet. Und nun begegneten mir nach vielen Jahren zum zweiten Male die Adler.

Nach einer erfolgreichen Brut im Jahre 2023, trafen sich beide Seeadler auch in dieser Saison wieder am Horst.

Plötzlich war der männliche Vogel verschwunden

Der Vogel stammte aus einem niederländischen Forschungsprogramm und war daher auch besendert. GPS-Daten ließen seinen Aufenthaltsort rund um die Uhr nachvollziehen.

Seit einiger Zeit bewegte sich der Sender aber nicht mehr von der Stelle. Sofort machte sich ein Suchtrupp auf und fand den verendeten Vogel auf einer Wiese in der Nähe des Ortes Alpen.

Todesursache war weder eine Schussverletzung noch eine Vergiftung

Die Untersuchungen des Chemischen Veterinäramtes Krefeld ergaben eindeutig, dass als Todesursache weder eine Schussverletzung noch eine Vergiftung genannt werden konnte. Die äußeren Verletzungen lassen vermuten, dass der Adler Opfer eines Kampfes mit Artgenossen wurde.

Was geschah aber im Horst. Der weibliche Altvogel konnte die eventuell vorhandenen Jungvögel nicht allein lassen. Sie waren sicherlich nur wenige Tage alt und überlebten die kalten Temperaturen nicht.
Um den Nachwuchs zu retten, wurde ein frisch geschlüpftes Küken von Mitarbeitern des Regionalverbandes Ruhr und der Biologischen Station Wesel dem Horst entnommen und der Greifvogelaufzuchtstation des NABU in Wesel übergeben. Ein ebenfalls geborgenes Ei, erwies sich als taub.

Das Küken wurde aufgepäppelt. Bei seiner Einlieferung wog der Vogel vierzig Gramm.  Er hat sehr schnell und mächtig an Gewicht zugenommen.

Die Aufzucht des Jungvogels gestaltete sich sehr schwierig

Der Jungvogel wurde von völlig vermummten Personen mit Hilfe einer Adlerattrappe gefüttert. Er sollte in der Prägephase seines Lebens keinen Menschen zu Gesicht bekommen.

Vor wenigen Tagen zog er um. Seine neue Pflegeheimat wurde der Wildpark Eekholt in Heidmühlen.
Zurzeit wird ein Seeadlerpaar in Niedersachsen gesucht, das etwa gleichaltrige Küken besitzt. Ihm wird der Jungvogel so schnell wie möglich zur weiteren Betreuung in den Horst gesetzt. 

Ich wünsche dem geretteten Küken eine gute Entwickelung und immer genügend frischen Wind unter den Schwingen.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

Quellen: Nachfragen im Natur Forum Bislicher Insel + „Aktuelles von der Bislicher Insel“, herausgegeben vom Regionalverband Ruhr.