Der Rotrückenwürger, auch Neuntöter genannt, gehört zu den interessantesten Vögeln meines Wohnumfeldes. Ich habe schon einmal über ihn berichtet und durfte ihn auch schon mehrere Male beobachten.
Am 16.06.2020 hatte ich in meiner Heimatstadt Dorsten eine interessante Beobachtung. Sie werde ich sicherlich nicht vergessen.

Vorweg: Dorsten hat sich zu einem Hotspot der Bruten des Weißstorches in NRW entwickelt. Von einem Brutpaar, vor zwanzig Jahren, hat sich die innerstädtische Brutpopulation auf acht Brutpaare erhöht. Das ist eine ornithologische Sensation. In der Zeit davor, fand man in ganz NRW nur sechs bis sieben Brutpaare des Ardebars. Von der neuen Brutpopulation in Dorsten befinden sich allein drei Storchenpaare im Hervester Bruch.

Untermieter bei Familie Storch

Unter einem der Storchenhorste hatte sich in einem Brombeerverhau ein Pärchen Neuntöter niedergelassen Die ständig anwesenden Ornithologen hielten das für keine gute Idee.
Die Vögel überzeugten die Ornis jedoch im Laufe der Brutsaison  vom Gegenteil.
Ich stand in der Nähe des Brutplatzes von Storch und Neuntöter. Dort bewunderte ich den männlichen Würger und beobachtete ihn bei der Käferjagd. Die führte ihn plötzlich, unmittelbar vor mir, auf einen alten Koppelzaun. Die kurze Entfernung versprach gute Aufnahmen des Vogels und mächtig viel Arbeit für meine Kamera.
Ihr Motor wurde strapaziert. Mal saß der Vogel vor mir in einer Eiche, mal auf einem entfernteren Zaunpfahl und ein anderes Mal in meiner Nähe. Er fiel hin und wieder von seiner Ansitzwarte, um auf dem Boden blitzschnell einen Käfer zu erlegen, wieder auf seine Warte zu fliegen und seine Beute dort zu verzehren. Mit und ohne Beute; der Vogel gab fantastische Aufnahmen ab. Plötzlich wurde der Würger mit seinem feinen Haken am Schnabel sehr ruhig und stellte die Federn um seinen Kopf herum auf. Mit dem Schnabel legte er einen gefangenen Käfer in seinen rechten Ständer und hielt ihn dort mit den Krallen fest. Sofort drückte ich auf den Auslöser und das, keine Sekunde zu früh. Der Vogel würgte und spie blitzschnell einen kleinen Speiballen (Gewölle) heraus. Mit bloßem Auge war das nicht zu erkennen, wohl aber mit der Kamera.

Das war es. Im Bruchteil einer Sekunde war der Vorgang beendet. Der Blick eines Jägers ahnte die Situation voraus und führte zu den beigefügten Aufnahmen.
Zur Namensgebung wird gesagt, dass dieser Vorgang beim Rotrückenwürger, beim seltenen Raubwürger und beim sehr seltenen Rotkopfwürger zur Bezeichnung „Würger“ führte.

Die Gebr. Grimm führen die Namensgebung allerdings auf ein Erwürgen der Beute, wie z.B. Jungvögel, zurück.
Allgemein bekannt ist das Aufspießen überschüssiger Nahrung auf Dornen. Die Würger schaffen sich damit eine Art Vorratskammer, an der sie sich bei Bedarf halten.
Dieses Aufspießen konnte ich einmal beobachten. Dabei schlug der Würger seine Beute mit kräftigen Schlag auf einen Dorn und sichert sie damit gegen Herunterfallen.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)