Die Veränderung unseres Lebens hat stets Folgen für unsere Tierwelt.
„Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle. Welch ein Singen, Musizieren, Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren! Frühling will nun einmarschieren, kommt mit Sang und Schalle.“
Dieses schöne Kinderlied hat uns alle in jedem Jahre auf den kommenden Frühling mit seinen Farben, Gerüchen und Stimmen eingestimmt.
Aber, stimmt das denn noch? Kommen wirklich „alle Vöglein alle“, oder fehlen da nicht schon einige bunte Allerweltvögel?
Ja, in Gladbeck fehlen schon eine Menge Vögel, denen man noch vor wenigen Jahren überall begegnete.
Vögel in Haus und Hof
Beginnen wir doch einmal mit der Haussperling. Er, wie auch sein Verwandter der Feldsperling, stehen mittlerweile mit Vorwarnung auf der „Roten Liste NRW“, der „Sterbeliste der Arten“. Wer hätte das gedacht?
Unser aller Leben hat sich geändert und bietet den Sperlingsarten keinen ausreichenden Lebensraum mehr. Ihre Niststätten unter den Dachziegeln der Häuser, sind allesamt verschwunden. Unsere Wohnbedürfnisse sind anspruchsvoller geworden. Wir leben hygienischer und…. wir sind verdammt reich. Unsere Häuser haben noch heute lange Gärten, die früher zum Anbau von Obst und Gemüse genutzt wurden. Einen Hühnerstall fand man fast in jedem Garten.
Obst, Gemüse und Eier finden wir heute, ohne Arbeit und viel preiswerter, bei Aldi, Edeka, Lidl und Co.
Die Obstbäume wurden gefällt und durch Einheitsrasen mit einem Pool ersetzt. Während sich ehedem noch Massen von Spatzen zur Fütterung der Hühner einstellten, bleibt ihr Tisch heute leer. Wo sollen diese Vögel denn noch leben? Wenn wir nichts mehr zu beißen haben, müssen auch wir uns vom Acker machen, uns einen neuen Lebensraum suchen.
Genau so ergeht es einem der schönsten und buntesten Gartenvögel, dem Gartenrotschwanz.
Er wird mittlerweile in der „Roten Liste NRW“ als „stark gefährdet“ geführt.
Ich kenne keinen Ort in Gladbeck, der noch einen singenden Gartenrotschwanz beherbergt. Auch dieser Vogel benötigt Obstbäume mit ihren Höhlen und Halbhöhlen, um zu nisten. Auch er benötigt Insektennahrung, um mit seinen Jungen überleben zu können.
All` das haben wir ihm genommen.
Dem Star, wirklich ehemals kein seltener Mitbewohner, wird heute auf der „Roten Liste NRW“ als „in seinem Besatz gefährdet“ eingestuft. Auch ihm fehlen Obst- und andere alte Bäume mit Höhlen, die er nutzen kann.
Vögel in Feld und Flur
Unsere beiden Schwalbenarten, die Rauch- und die Mehlschwalben, sind ebenfalls in ihrem Besatz enorm zurückgegangen. Beide werden heute auf der „Roten Liste NRW“ als „gefährdet“ eingestuft. Schwalben leben von Fluginsekten. Zum Nestbau brauchen sie feuchte Erde, am besten feuchten Lehm. Die Landwirtschaft hat ihre Produktion nach unseren Wünschen umgestellt. Ein riesiges Angebot bedeutet günstigere Preise für alle Lebensmittel. Wenn wir vor 50 Jahren noch 45 % unseres Bruttoeinkommens für Lebensmittel ausgaben, liegt der Prozentsatz heute nur noch bei ca. 14 %. Im Falle unserer Schwalben heißt das, die Umstellung auf eine offene Stallhaltung bringt für diese Vögel keine ausreichende Fliegennahrung mehr. Die Versiegelung der Wege bringt den Schwalben kein notwendiges Nistmaterial mehr und das Insektensterben gibt ihnen den Rest. Über unseren Feldern fliegen kaum noch Insekten, die „knackigen Wurstbrötchen für Schwalben“. So ist der Besatz an Rauch- und Mehlschwalben in Gladbeck auf gefühlte 10% zurückgegangen.
Der Kuckuck wird nun in der „Roten Liste NRW“ unter „gefährdet“ geführt. In Rentfort hören wir an keiner Stelle mehr den charakteristischen Ruf des Glücksbringers. Früher sang er überall. Man konnte ihn durch Nachahmung seines Rufes anlocken und die eigenen Kinder damit begeistern. Das ist endgültig vorbei.
Die Feldlerche, ohne deren Anwesenheit man sich keinen Sommer vorstellen konnte, ist verschwunden. Sie hängt nicht mehr tirilierend im blauen Himmel. Auf der „Roten Liste NRW“ wird sie unter „gefährdet“ geführt. Wo gibt es noch Wiesenraine, die ihr Brutmöglichkeiten bieten? Wo gibt es noch nasse Viehweiden, die sie als Lebensraum benötigt?
Kiebitz und Rebhuhn, werden als „stark gefährdet“ eingestuft. Beide verloren ihren Lebensraum durch die Veränderung der Produktionsmethoden in der Landwirtschaft. Wo fünfmal im Jahr Silograss gemäht wird, bringt kein Vogel seine Brut mehr hoch und in Maissteppen ist ein Leben für diese Vögel ausgeschlossen.
Der Kiebitz gaukelte noch vor wenigen Jahren über allen Frühlingsfeldern. Vor zwei Jahren brütete er noch in einem entstehenden Industriegebiet an der Hegestraße. Nunmehr ist er völlig verschwunden. Das Rebhuhn huderte sich in jedem Sommer im Sandkasten meiner Kinder. Schon seit zwanzig Jahren gibt es kein Huhn mehr in unserer Stadt, dass uns und unsere Enkelkinder erfreut.
Übernehmen wir die Verantwortung die wir früher immer trugen?
Wir haben gesehen, dass wir selbst für den Rückgang der Lebensräume fast aller Tiere verantwortlich sind.
Unser Kaufverhalten hat die Landwirtschaft zu mehr Masse, als Klasse getrieben. Sie musste überleben. Und nur Klasse wird vernünftig honoriert. Ein Bio-Ei kostet nun einmal wesentlich mehr als ein Ei von Hühnern aus normaler Bodenhaltung. Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren kostet nun einmal wesentlich mehr, als Fleisch von Tieren normaler Produktionsmethoden.
Naturschutz hat einen hohen Preis, den wir über höhere Preise für landwirtschaftliche Produkte, oder über Subventionen bezahlen müssen. Subventionen stammen aber aus einem Steuertopf, den wir füllen müssen.
Die Artenvielfalt erhöht unsere Lebensqualität deutlich. Sie macht uns ausgeglichener und zufriedener. Sie bringt Ruhe in unser Leben. Sie macht unser Leben lebenswert.
Denken wir allerdings daran, dass diese Artenvielfalt von uns bezahlt werden muss.
Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)