Im Laufe eines Jägerlebens erlebte man viele ungewöhnliche Arten, zum jagdlichen Ziel zu gelangen. Diese ungewöhnlichen Begebenheiten will ich hier und in den nächsten Ausgaben des „Wildhüters“ einmal beleuchten und wiedergeben.
Es war Mitte Mai, als ich mit einem selbstgebauten transportablen Sitz einem Rehbock nachstellte. In aller Frühe saß ich auf einem mit Gräsern bestandenem alten Fahrweg am Kopf einer Anpflanzung. Mein transportabler Sitz war schnell aufgebaut und mit einem Tarnnetz der Bundeswehr sorgfältig gegen Sicht geschützt. Der Wind kam von rechts. Ich hatte also halben Wind. Dackel Quitte, damals mein ständiger Begleiter, rollte sich neben meinen Füßen ein und döste vor sich hin. Die Mauser 7×64 ruhte auf den Holmen. Langsam wurde es hell.
Da erschien links von mir, auf ca. 40 Metern ein Altfuchs, setzte sich auf seine Keulen und sicherte in meine Richtung. Der Fuchs bekam vollen Wind, reagierte aber nicht. Er kratzte sich bedächtig, schnürte auf meinem Sitz zu, bog dann ab und führte seinen Weg im Abstand von acht Metern im Halbkreis um meinen Sitz herum. Immer wieder verhoffte er, nahm seinen Windfang hoch und prüfte den Wind. Er stellte sich auf einen alten Baumstumpf umso besser äugen und den Wind prüfen zu können. Gut getarnt mit Tarnjacke und Gesichtstarnung, wagte ich nicht meine Augendeckel zu bewegen. Viele Sekunden saß ich Aug in Aug mit Reinicke. Langsam schnürte er weiter, beendete den Halbkreis und strebte nunmehr auf dem Grasweg vom Ansitzbock fort, jedoch nicht ohne sich vorher noch gelöst zu haben.
Nach diesem Erlebnis, bei dem ich zwar die Büchse, nicht jedoch die Kamera dabeihatte,
machte ich mir Gedanken warum der Fuchs, obwohl in vollem Wind, mich nicht wittern konnte. Letztlich kam ich zu dem Ergebnis, dass das alte Bundewehrtarnnetz mit seinem strengen Geruch meine Witterung und die meines Dackels überdeckt haben muss. Nun wusste ich auch, warum mir alle Wildarten bei meinen Fotoarbeiten im Revier auf Tuchfühlung kamen, ohne abzuspringen. Rotwild konnte, wenn es mich eräugte, mit dem getarnten Sitz und dem dahinter sitzenden Jäger nichts anfangen. Es versuchte Wind zu nehmen, beäugte mich immer intensiv, wurde unruhig und trollte sicherheitshalber fort. Rehwild, Fuchs, Fasan und Hase jedoch, nähern sich dem Klappbock bis auf 5 Metern, ohne ihn zu beachten.
Seitdem schätze ich das Bundeswehrtarnnetz und ziehe es den anderen Tarnnetzen vor. Es bietet nicht nur Sichtschutz, sondern auch eine hervorragende Geruchstarnung.
Nachteil: Das Netz verheddert sich sehr schnell. Aber damit kann ich leben. Übrigens: Den Rehbock konnte ich einige Ansitze später an gleicher Stelle erlegen.
Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)
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