Rumänien, das Land der ungeliebten Wahrheiten (aus Heft 2/2023 des Wildhüters)
Manchmal, liebe Leser, wird man von den aktuellen Ereignissen förmlich überrannt.
Noch während das Heft 2/2023 des „Wildhüter“ mit dem o. g. Artikel gedruckt wurde, schreckte eine besondere Nachricht alle Naturinteressierten im deutschsprachigen Raum auf.
Der allen Naturfreunden bekannte Tierfilmer, Andreas Kieling, wurde in den Hochkarpaten Rumäniens Opfer eines Bärenangriffs, einer Attacke, die er nur mit viel Glück überlebte.
Bei Filmaufnahmen des Dreizehenspechtes griff ihn ein Bär wie aus dem Nichts an und verletzte den Tierfilmer lebensgefährlich. Der Angriff kam, ohne dass Kieling den Bären vorher bemerkte. Während der Attackierte stürzte konnte er Meister Petz einen Fuß seines Filmstatives in den Rachen rammen. Der Bär stand sofort über seinem Opfer. Er schlug und biss auf ihn ein. Kieling machte sich instinktiv klein und schützte Kopf und Nacken mit Händen und Armen. Trotz enormer Schmerzen schrie er nicht und rettete so sein Leben. Der Bär ließ unmittelbar darauf von ihm ab und verschwand, wie er gekommen war.
Blutüberströmt fotografierte Kieling sich selbst, mit abgerissener Kopfhaut, zerschmetterten linken Arm, der dazugehörenden zerbissenen Hand, sowie einer zerrissenen Daunenjacke.
Er wurde sofort ins Krankenhaus verbracht, wo ihn die Ärzte wieder zusammenflickten. Seine skalpierte Kopfhaut wurde angenäht und seiner linken Hand einige Knochen entnommen. Kieling ist aber guter Hoffnung, dass nicht nur er, sondern auch seine Hand weitestgehend wieder hergestellt werden.
Soweit der Bericht über diesen Vorgang, den der Tierfilmer selbst vortrug.
Es passiert nicht alle Tage, dass ein Tierfilmer solch einen Angriff detailliert beschreibt und uns hautnah an ihm teilhaben lässt.
Mir bleibt an dieser Stelle nur, Herrn Kieling weiterhin eine gute Besserung zu wünschen.
Er wäre nicht Andreas Kieling, der Mann, der mit dem Bären knutscht (Ausdruck meiner Kinder), wenn er diese Aktion nicht sofort medial vermarktet hätte.
Die erste Meldung mit einem kurzen Interview, vernahm ich im WDR zur besten Sendezeit. Es folgten, die Sendung „Heute“ des ZDF und die „Tageschau“ auf dem 1. Programm.
Anschließend bestaunte man seine Ausführungen in verschiedenen Talkrunden des Fernsehens.
Jeder normale Mensch, benötigte nunmehr eine längere Erholungsphase, in der er sich über sein ungeheures Glück und seinen weiteren Lebensweg Gedanken gemacht hätte.
Wahrscheinlich müsste er sich auch einer psychologischen Behandlung unterziehen, um das Geschehen zu verarbeiten.
Nicht so der Abenteurer und Bärenmann Kieling.
In der Stern TV-Sendung vom 28.05.2023 ließ er klar erkennen, dass den Bären keine Schuld träfe. Die Schuld läge einwandfrei bei ihm.
Er hätte die Gabe, sich in die Seele der Tiere hineinzudenken. Er wäre, um zum Dreizehenspecht zu gelangen, sehr leise gepirscht und somit dem ruhenden Bären zu nahegekommen. Er hätte ihn offensichtlich überrascht und damit den Angriff des Bären provoziert.
Angriffe auf Menschen wären sehr selten. Der Mensch würde als Beutekonkurrent betrachtet, dessen Statur, Geruch und Bewegungen Bären und anderes Großraubwild ausweichen ließe. Selbst Löwen zeigten das gleiche Verhalten. (Anmerkung des Unterzeichners: Warum darf man dann in Afrika währen einer Safari den Wagen nicht verlassen?) Anders wäre es bei dem Jaguar oder dem Leoparden. Beide würden den Menschen angreifen und ihn sicher zu ihrer Beute machen. Er hätte das selbst erfahren.
Der Betriebsunfall
Ich staune immer wieder, dass die Jungs, die sich mit der Natur beschäftigen, so wenig mit Mathematik zu tun haben.
Kieling antwortete auf eine entsprechende Frage des Moderators der Sendung:
„Seinen Unfall sei ein Betriebsunfall. Der Beruf als Tierfilmer wäre weniger unfallgefährdet als der eines Polizisten oder Feuerwehrmannes“.
Das machte mich stutzig und es galt diese Aussage zu überprüfen.
Wir haben in Deutschland geschätzte 30 Tierfilmer. Das sind: Andreas Kieling, Jan Haft, Christian Baumeister, Jens Westphalen/Thoralf Grospitz und Günter Goldmann.
Jeder Tierfilmer wurde in der Zahl 30 mit einer Crew von 4 Mitarbeitern berücksichtigt. Allein von Herrn Kieling weiß man, dass er vier schwerste Verletzungen bei Dreharbeiten durchleben musste, die er allesamt nur knapp überstand. Man weiß von Erdrutschen in Sibirien, bei dem das Leben der Tierfilmer am seidenen Faden hing und einem abgestürzten Ballon anderer Tierfilmer mit fast fatalem Ende für die in ihm sitzenden Filmcrew. Die Unfallzahlen der o. g. Kollegen Kielings sind mir gar nicht bekannt.
Die Berufsfeuerwehr hat 40.000 Mitglieder, die Freiwillige Feuerwehr 1.338.000 Mitglieder. Im Jahre 2016 endete für 5 Feuerwehrleute in Deutschland der Dienst tödlich, bei insgesamt 567 meldepflichtigen Arbeitsunfällen, bezogen 1.378.000 Mitglieder.
Auf je 1000 Tierfilmer bzw. Feuerwehrleute beträgt der Faktor der Unfallhäufigkeit
für Tierfilmer 6*1000/30 = 200, für Feuerwehrleute = 567*1000/1378000= 0,41.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein qualifizierter Tierfilmer verunglückt, liegt damit 500 x höher als bei der Feuerwehr. Den Vergleich mit dem Polizeidienst erspare ich mir.
Mit solchen Aussagen beeinflusst man in den Medien die Zuhörer in seinem Sinne.
Wo bleiben die Berichte über Bärenattacken im Rumänien?
Mit keinem Wort ging Herr Kieling auf die Bärenattacken in Rumänien ein; mit keinem Wort auf die Schwerverletzten und die Toten durch diese Attacken.
Uns wird immer wieder suggeriert, dass wir den Umgang mit Bären erst wieder erlernen müssten.
Wenn einem der größten Bärenkenner Deutschlands ein solcher Unfall passiert, ist es dem Normalbürger wohl kaum zuzumuten mit dem Bären hier in der BRD zusammenzuleben.
Herr Kielings Unfall wurde zum besten Gegenargument für die Rückkehr des „Meisters Petz“ nach Deutschland.
Bei uns gibt es in großer Zahl Naturnutzer, ähnlich dem bedauernswerten Jogger in Trient, die sich nicht „in die Seele der Bären hineindenken können“ und diese Eigenschaft auch nie erreichen werden. Sie wollen aber weiterhin gefahrlos die Natur nutzen und sich in ihr frei bewegen.
Übrigens: Das Fernsehen strahlte vor Jahren einen Film über Bären in Schweden aus.
In diesem Film zeigte man eine ähnliche Begegnung zwischen einem Bären und einem Menschen, wie in Trient. Der Bär trollte während der Filmaufnahmen auf einen Forstweg, der sich in einer starken Linkskurve verlor. Plötzlich erschien ein joggender Sportler in dieser Kurve, erblickte den Bären, drehte um und verschwand in schnellster Gangart. Der Bär hatte ihn nicht wahrgenommen und so verlief die Begegnung ohne Schaden für den Jogger.
Im gleichen Film wurde gezeigt, wie die Schweden mit Bären umgehen, die sich fehlverhalten. Ein Bär, der Haus und Garten inspizierte, wurde sofort entnommen, der erlegte Bär im Film gezeigt.
Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)
Quelle: Feuerwehrzahlen aus dem Internet, TV-Sendungen
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