Das die auf- und untergehende Sonne eine fantastische Hilfe bei der Pirsch sein kann,
zeigte mir die jagdliche Realität im Revier.
Ich hatte meinen Pirschgang fast beendet, da sah ich eine Ricke mit ihrem Kitz inmitten eines Senfschlages. Der Wind kam von rechts und die Sonne stand halb-links hinter mir. „Wie komme ich nur an beide heran, ohne zu stören?“
„Versuche es doch einmal mit der Sonne im Nacken“, dachte ich mir. „Das Rehwild äugt schlecht und bei dem vorherrschenden Wind kann die Sache klappen“. Ich brachte mich auf der Verbindungslinie Sonne-Rehwild in Position und pirschte, langsam und immer wieder verhoffend, über den Senf geradeaus auf beide Rehe zu. Es gelang mir bis auf vierzig Meter an Mutter und Tochter heranzukommen, ohne von ihnen bemerkt zu werden.
Einige wenige Aufnahmen gelangen. Die Rehe warfen auf, sicherten und sprangen schreckend ab.
Für einen jagdlichen Erfolg hätte es immer gereicht. Dazu kann man nur sagen: „Hab Sonne im Nacken und Wind im Gesicht!“
Ein mäusefangender Turmfalke
Mit der untergehenden Sonne im Nacken konnte ich mich einem mausenden Turmfalken bis auf 10 Metern nähern, ohne von ihm entdeckt zu werden.
Auf der Pirsch übers Feld sah ich an einer großen Weide einen Turmfalken auf einem Koppelpfahl. Er lauerte dort auf Mäuse, fiel ab und zu von seiner Warte, flog wieder auf, um auf dem Pfahl zu fußen und dort seine Beute zu kröpfen. Ich führte nur Glas, Waffe und meine Teckelhündin Quitte mit. Meine Kamera fehlte. Trotzdem wollte ich die günstige Sonnenstellung und die Koppelzäune nutzen, um dem Falken nahe zu kommen. Vorschichtig pirschte ich von Koppelpfahl zu Koppelpfahl, verhoffte immer neben einem Pfahl und beobachtete den kleinen Falken. Bis auf eine Entfernung von zehn Meter konnte ich mich ihm nähern und sein Verhalten ohne Glas beobachten. Währen dieser Pirsch schlug der Falke, unmittelbar vor dem Fuß seines Koppelpfahles, dreimal eine Maus. Er hatte wohl das örtliche Mäuseparadies entdeckt. Zweimal waren es Jungmäuse, die er sofort ohne Probleme verschlang. Bei der dritten Maus handelte es sich offensichtlich um ein wesentlich kapitaleres Exemplar, bei dem das Hinabwürgen Schwierigkeiten bereitet hätte. Die Maus wurde daher vom Falken regelrecht aufgebrochen, die Innereien herausgezogen, aufgenommen und anschließend die nunmehr geleerte Maus gekröpft. So etwas hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Das war nur möglich, weil die untergehende Sonne in meinem Nacken stand und die Koppelpfähle mir Deckung gaben.
In einem Feuchtgebiet meiner Heimatstadt nutzte ich die aufgehende Sonne schon mehrfach, um mich dem Wild bis auf geringe Entfernung zu nähern.
In der Blattzeit pirschte ich mit der Sonne im Nacken bis auf zehn Meter an einen mittleren Rehbock heran, den ich portraitierte. Man glaubt es kaum. Ich konnte ganze Serien dieses Kerls aufnehmen, ohne dass er mich bemerkte. Dieses Erlebnis gehörte zu den besonderen Glücksmomenten meines Jägerlebens.
Besteigen der Kanzel neben einer Pferdeweide
Eine meiner Lieblingskanzeln im Revier, steht mitten im „platten“ Feld, nur dreihundert Meter von einem alten Gehöft entfernt. Ein Stacheldrahtzaun, dessen oberer Abschluss unter Strom stand, führte vom Hof des Bauernhauses bis zu einer Wallhecke aus Schlehdorn, Borbeeren und einzelnen Eichen. Die Hecke ist die einzige Deckung für das Wild, inmitten großer Mais- und Getreideschläge. Links des Zaunes liegt eine Wiese, die regelmäßig gemäht wird, dem Rehwild aber eine gute Äsungs- und Deckungsmöglichkeit bietet.
Rechts des Zaunes liegt eine Pferdeweide, auf der ständig drei Pferde grasen.
Einhundert Meter von der Hecke entfernt findet man eine kleine Kanzel der Extraklasse. Sie steht genau am richtigen Ort, unmittelbar hinter dem Zaun. Zu allen Tageszeiten bietet sie Anblick auf Rehwild, Hase, Fuchs, unsere Greifvögel, Tauben, Fasane und den Vertretern unserer Singvögel.
Wie aber soll man sich dem Wild nähern, um die Kanzel zu besteigen? Der Wind muss jedenfalls stimmen.
Ich versuchte, mit meinem Teckel, regelmäßig die Pirsch von Koppelpfahl zu Koppelpfahl. Der wandelnde Pfahl wird akzeptiert, wenn er immer neben einem bestehenden Pfahl verhofft. Bewegungen dürfen nicht bei aufwerfendem und sicherndem Wild erfolgen. Das Wild muss abgelenkt sein. Dann ist es möglich bis zur Kanzel zu pirschen, sich dort unter den Zaun hindurchzuschieben und vorsichtig die Leiter zu besteigen. Wegen der vielen Geräusche aus dem Bereich des Bauernhauses stört auch das Aufschließen der Tür und das Herunterklappen der Fensterluken nicht.
Ohne Teckel nutze ich eine andere Art, den Hochsitz zu erreichen.
Ich betrete sofort die Pferdeweide, werde dabei von den neugierigen Pferden begrüßt und pirsche neben den schnaubenden und prustenden Freunden des Hafers bis zur Leiter der Kanzel. Ich habe diese Art der Annäherung an die Kanzel oft probiert. Sie funktioniert ausgezeichnet. Ich kann sie nur empfehlen.
Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)