Entstehung und Konzeption des Waldpädagogischen Zentrums

Einzigartig in seiner Art, entwickelte sich das Waldpädagogische Zentrum aus der Idee eines engagierten und jagenden Pädagogen und seiner Kollegen aus der Gregorschule in Bottrop, einer Stadt am Nordrand des Ruhrgebietes. Grundlage zu dieser Idee war die Naturferne der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler, sowie die massive Ausbeutung der Natur durch den Menschen.

Der Physiker Carl Friedrich von Weizäcker fasste den Umgang des Menschen mit der Natur in die provokante These: „ Die moderne Kultur ist in ihrer gegenwärtigen Entwickelungs-phase eine Kultur ohne Weisheit und Vernunft.“

Hierauf gründete nun der pädagogische Ansatz waldpädagogischer Arbeit und es ergab sich daraus folgende Zielsetzung:

Es reicht nicht aus, wenn der Mensch die Notwendigkeit einer ökologisch intakten Umwelt erkennt, sondern es muss daraus eine persönliche Betroffenheit resultieren. Wichtig ist es also, Interesse an der Natur als wesentlichen Bestandteil für eigenes Wohlbefinden lustvoll und mit allen Sinnen erfahrbar zu machen, um langfristig zu umweltbewusstem Handeln zu motivieren und verantwortlich an der Haushaltung in unserem Haus Erde mitzuarbeiten.

Aus diesen Vorüberlegungen ergaben sich folgende Ziele, die exemplarisch am Lebensraum Wald erarbeitet werden sollten.

  • Erlebnisse und Erfahrungen in der Natur zu ermöglichen.
  • Für Vorgänge und Zusammenhänge in der Natur sensibilisieren; die subjektive Wertschätzung der Natur fördern;
  • Das Eingebundensein des Menschen in die natürlichen Abläufe erlebbar machen;
  • Einsicht bekommen für die Berechtigung des Menschen zur nachhaltigen Nutzung der Natur durch Förster, Jäger, Imker und Erholungssuchende;
  • Information über Pflanzen, ihre Lebensbedingungen und ihre Lebensräume, exemplarisch dargestellt an der Pflanze Baum und dem Lebensraum Wald, zu vermitteln.

Ziele und Zielgruppe der pädagogischen Arbeit

Die waldpädagogische Arbeit konzentrierte sich in erster Linie auf Kinder aus Grundschulen und Kindergärten.

  • Ihre Verhaltensstrukturen sind noch nicht so verfestigt.
    Kinder benötigen Erfahrungsräume in der Natur zur eigenen Entwickelung, da ihre Lebens- und Erlebnisräume immer mehr reduziert werden.
  • Ihre Wahrnehmungssysteme entwickeln sich noch. Es ist daher möglich, diese zu beeinflussen.
  • Es ist wichtig, dass Kinder einen unmittelbaren Kontakt zur Natur herstellen können, um einen verantwortlichen Umgang mit ihr zu erlernen.
  • Über Kinder werden auch Eltern angesprochen und beeinflusst.

Methoden, diese Ziele zu erreichen.

Herr H. Tenhumberg, Schulleiter der Gregorschule in Bottrop-Kirchhellen und pädagogischer Leiter des Waldpädagogischen Zentrums, suchte nun mit dem Kollegium der Schule, insbesondere mit Herrn Pawlizcek, jetzt sein Nachfolger in beiden Ämtern, nach dem richtigen Weg, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Schnell wurde klar, dass der Lebensraum Wald der hierzu geeignetste war.
Aus ihm wurden thematische Schwerpunkte ausgewählt, die von den Schülern bei einem Rundgang an verschiedenen Stationen bearbeitet werden konnten. Hierbei wurden die Klassen in Gruppen aufgeteilt und von Fachleuten (Förstern, Jägern) geführt. Auf dem Weg zu jeder Station wurde den Schülern Wissen zu bestimmten Themen vermittelt, dass Sie dann an der Station anwenden konnten. Letztlich entwickelten sich hieraus die sog. Waldjugendspiele, die nunmehr in vielen Städten durchgeführt werden.

Waldjugendspiele in Bottrop

Was an der Gregorschule erprobt und durchgeführt wurde, machte auch die Nachbarschulen aufmerksam. Die Spiele wurden auch für die 4. Jahrgänge der Nachbarschulen angeboten. Die Nachfrage zur Teilnahme weiterer Bottroper Grundschulen war so groß, dass ab ca. 1988 sämtliche 27 Grundschulen in Bottrop mit ca. 60 Klassen des vierten Jahrganges teilnahmen. Auf einem Parcours mit 10 Stationen verschiedenster Waldbereichsthemen im städt. Wald „Vöingholz“, ging im Sechs-Minuten-Takt jeweils die Hälfte einer Schulklasse auf diesen Unterrichtsgang. In einer Stunde waren 5 Schulklassen unterwegs (10x eine Klassenhälfte). An einem Vormittag konnten so 15 Klassen an diesen Spielen teilnehmen. Allein für die Führung wurden 30 Fachleute pro Tag benötigt. Sie kamen dienstlich aus den Forstämtern, zum großen Teil aber ehrenamtlich aus dem Kreis der Jägerschaft und der pensionierten Lehrer.
Hinzu kam noch das ehrenamtliche Personal für die Organisation und den Aufbau der Spiele.

Diese Waldjugendspiele waren schnell fester Bestandteil der Naturerziehungsarbeit der Bottroper Grundschulen.

Immer öfter kamen aber auch Fragen der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer, ob das Angebot zur Naturerziehung nicht noch erweitert werden könne.

Wir konnten die langsamen Anfänge der waldpädagogischen Arbeiten auf dem Gebiet der Stadt Bottrop kennenlernen. Nunmehr geht es aber ans Eingemachte.

Bau des Waldpädagogischen Zentrums (WPZ)

Ein ehemaliger Schießstand des LJV wurde von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald angepachtet und zum Waldpädagogischen Zentrum umgebaut. Auf diesem Schießstand legte ich im Jahre 1963 einen Teil meiner Jägerprüfung ab. Daher habe ich zu ihm ein besonderes Verhältnis. In meiner Erinnerung sehe ich noch drei Kugelbahnen und einen Tontaubenstand. Die ges. Anlage lag mehrere Jahre still und verrottete langsam und still vor sich hin.

Das von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald vorgelegte Arbeits-Nutzungskonzept wurde von der Stadtverwaltung der Stadt Bottrop sehr positiv aufgenommen. Aus finanziellen Gründen gelangte es dort jedoch in die mittelfristige Planungsschiene. Das Konzept konnte nicht sofort umgesetzt werden. Es wurde daher beschlossen, die Umgestaltung des Geländes in eigener Regie und mit Hilfe von Sponsoren durchzuführen.
Die Schießanlage wurde von zwei Wällen flankiert. Der Raum, aus dem geschossen wurde, war nur noch eine Ruine. Die Kugelfänge aus Beton, die den Schießraum von Wall zu Wall überspannten, waren zusammengebrochen. Pflanzenwuchs in Baumhöhe konnte die riesigen Betonteile nur teilweise verblenden. Der Kugel- aber vor allem der Tontaubenstand musste wegen der Schießrückstände entsorgt werden. Wasser- und Abwasseranschlüsse waren nicht vorhanden.
Private Sponsoren um den damaligen Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Bottrop, stemmten die Aufgaben in einer Größenordnung von ca. 100.000,00 DM. Durch viele ehrenamtliche Helfer und weitere Unterstützung von Sponsoren, konnte dann die Anlage so aufgebaut werden, wie sie heute steht.

Im Einzelnen wurde errichtet: Ein Hauptgebäude mit Schulungsmöglichkeit für mehrere Klassen, Bewirtungsmöglichkeiten und einer Toilettenanlage. Ein Backhaus, ein Pflanzgarten, getrennte Tiergehege für Mufflon, Ziegen und Wildschweine, Schauvitrinen zu unterschiedlichen Themen, ein Bienenhaus mit Schulungsmöglichkeit, eine Streuobstwiese, eine Bienentränke, ein Hochsitz, die Lebensräume Feuchtgebiet und Teich, den Lebensraum Trockenmauer, eine große Vogelvoliere für Hühnervögel und ein akustischer Lehrpfad. Alles liegt eingebettet im städt. Wald Vöingholz.

Im Jahre 1995 konnte das Zentrum feierlich eröffnet werden.

Das Arbeitskonzept des Waldpädagogischen Zentrums.

Wie bereits geschildert, wird entsprechend der Grundschuljahrgänge (1. – 4. Jahrgang) in vier Stufen vorgegangen.
Um die Verhaltensentwickelung der Schülerinnen und Schüler im Sinne unserer geschilderten Ziele zu beeinflussen, wollten wir sie möglichst während der gesamten Schulzeit ans waldpädagogische Zentrum binden.

Stufe 1

Die Schüler (innen) besuchen uns zum ersten Mal im zweiten Schulhalbjahr ihres ersten Schuljahres, in der Zeit um Ostern. Dann hat sich in der Schule die Klassengemeinschaft schon etwas gefestigt und die Klasse ist zur Schaffung eines gemeinsamen Projektes in der Lage. Unsere Waldpädagogen und ehrenamtlichen Helfer bemühen sich, die Kinder für den Lebensraum Wald zu sensibilisieren.
Nach unseren jetzigen Erfahrungen können wir sagen, dass immer wieder Kinder dabei sind, die noch nie einen Wald besucht hatten.
Auf unserem akustischen Lehrpfad wird dieser erste Besuch jeder Schulklasse immer vom Ruf des Eichelhähers angekündigt. Die Kinder sollen erfahren, dass sie einen Lebensraum betreten, in dem der Mensch nur Gast ist.
Durch Kennenlernen der unterschiedlichen Lebensgemeinschaften im Lebensraum Wald, in den vier Grundschuljahren, möchten wir ihnen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur verhelfen.
Kernpunkt dieser ersten Stufe ist das Pflanzen eines „Miniwaldes“ als Klassenbeet in ihrer Schulbeetanlage. In einem großen Pflanzzelt, mit einem mit Walderde gefüllten Pflanztisch,
gehen die kleinen Waldarbeiter an die Arbeit.- Nachdem ihnen das Entstehen der kleinen Sämlingspflanzen vom Samen bis zum einjährigen Sämling mit den Wurzeln und dem Stamm gezeigt worden ist, geht es an die Arbeit. Die Kinder nehmen die kleinen Pflanzen in ihre Hände, begreifen die Pflanzen und die Erde und topfen sie in die entsprechenden Töpfe.- Anschließend bringen sie die kleinen Bäumchen ins Klassenbeet.
Hier haben sie nun den Grundstein gelegt für den Jahrgangswald, den alle Schüler im vierten Jahrgang anpflanzen.

Stufe 2

Nachdem viele Schülerinnen und Schüler ihr kleines Wäldchen in Ihrer Freizeit nachmittags ihren Eltern oder Großeltern gezeigt haben, besucht die einzelne Klasse das WPZ wieder im zweiten Schuljahr. Dann werden die Bäumchen gemessen, Zweige und Blätter werden gezählt und in der Nachbereitung in der Schule wird eine Baumakte angelegt. In dieser Baumakte werden alle Ergebnisse der Besuche festgehalten. Diese Baumakte soll die Schüler während der ganzen Grundschulzeit begleiten.
Spielerisch erleben die Kinder in dieser 2. Stufe den Aufbau, die Lebensweise und den Lebensraum Baum.

Der Baum als Lebensraum

Jeder Baum bietet ein buntes Mosaik kleiner Lebenszonen. Ein Millionenheer von Insekten, Schnecken, Asseln und Pilzen zersetzen die am Boden liegende Laubstreu. Regenwürmer ziehen die verrotteten Pflanzenteile in das Erdreich, wo Bakterien und Pilze sie weiter aufschließen und ihre Nährstoffe freisetzen. Von den Recyclingspezialisten und von im Boden überwinternden Insekten leben wiederum Eidechsen, Frösche und Mäuse.

Auch unter der Borke und im Splintholz leben Pilze, Käfer und andere Insekten, die z. B. dem Specht als Nahrung dienen. In der Baumkrone spannen Spinnen ihre Fangnetze aus, bauen Vögel ihre Nester, suchen Eichhörnchen und Vögel nach Früchten und Raupen blattfressender Schmetterlingsarten. Alte hohle Bäume dienen Steinkauz, Mardern oder Fledermäusen als Wohnstätte.

Euer Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

[Mit freundlicher Genehmigung weitestgehend übernommen aus der gleichnamigen Broschüre des WPZ.]