Begegnungen mit einem sehr seltenen Gast

Es war Mitte Juni des Jahres 2020. In einem Naturschutzgebiet meiner Heimatstadt tummelten sich Krick-, Löffel-, Stock- und Spießenten. Blässhühner ruderten eifrig, dabei mit ihren Köpfen nickend, auf der vor mir liegenden spiegelglatten Wasserfläche. Kormorane trockneten ihr Gefieder und ab und zu flogen mehrere Reiher und ein Weißstorch vorbei. Zwei Silberreiher fischten mit Abstand in einer Bucht.
Immer wieder zog mich die Wasserfläche mit seinen vielen bunten Besuchern an, um in den frühen Morgenstunden dort das pulsierende Leben zu bewundern.

Ein besonderer Tag

Der 13.06.2020 wurde für mich ein besonderer Tag. Ein Schwanenpaar hatte die Wasserfläche für sich reklamiert. Während der weibliche Schwan brütete, machte der männliche Schwan eine starke Bugwelle und vertrieb jeden schwanenähnlichen Ankömmling mit brutaler Gewalt. Ja, er war hier der Herrscher.
Plötzlich rauschte das Wasser und vier Graugänse mit einer Streifengans, landeten in der Mitte der Wasserfläche. Ich rieb mir meine Augen, hatte ich solch eine Gans, wie die Streifengans, nur einmal im Leben gesehen. Die Gänse riefen unmittelbar den Höckerschwan auf den Plan. Wütend steuerte er die Schar an und nahm sofort die Streifengans aufs Korn.

Quelle: Gerd Tersluisen | All Rights Reserved

Sie mochte ihn entfernt mit ihrem grau-weißem Gefieder an einen Jungschwan erinnern und den galt es zu vertreiben. Das konnte nicht gut gehen. Fast eine Stunde hetzte der Schwan die Streifengans über die Wasserfläche. Immer wieder erhob sie sich, flog ein Stück weiter und wasserte wieder. Ich hatte alle Zeit der Welt, um dieses Erlebnis mit der Kamera festzuhalten.

Die Graugänse blieben vom männlichen Schwan unbehelligt. Die Streifengans vertrieb er aber mit so viel Kraft und Inbrunst, dass sie schließlich genervt aufgab und mit den Graugänsen das Weite suchte. Das war ein Erlebnis.

Die Streifengans in den Bestimmungsbüchern

Zu Hause forschte ich in meiner Literatur und wurde fündig.
Das ursprüngliche Brutgebiet der Streifengans liegt in Tibet, Ladakh und im Südosten Russlands. Sie überwintert in Nordindien und Pakistan. Man kann nicht sicher sagen, ob jemals wilde Streifengänse Europa erreicht haben; die meisten bei uns zu sehenden und auch brütenden Streifengänse sind wahrscheinlich Flüchtlinge aus Gehegen. Streifengänse halten sich vereinzelt in Trupps von Wildgänsen und -enten auf.

Die großen und massigen Gänse haben ihren Namen von dem Streifenmuster an ihren Köpfen; dieses Kennzeichen fehlt den Jungvögeln.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

Quelle: Enzyklopädie der europäischen Vogelwelt; Titel der englischen Originalausgabe: Birds of Britain and Europe, erschienen 1997 by AA publishing

Bildnachweis:

  • DSC_3744_1: Gerd Tersluisen | All Rights Reserved
  • DSC_3799_1: Gerd Tersluisen | All Rights Reserved