Bei uns in NRW und in Gladbeck gibt es ihn noch, den Totenvogel, der durch seine Rufe in früheren Jahren zu seinem zweifelhaften Namen kam.
Noch vor siebzig Jahren war die Aufbahrung eines Verstorbenen im Hause üblich. Drei Tage und drei Nächte lang beteten Verwandte, Nachbarn und Freunde an der Bahre des Verstorbenen. Kerzenlicht erleuchtete das Zimmer. Vor dem erleuchteten Fenster dieses Zimmers sammelten sich viele Nachtfalter, die zur willkommenen Beute einer kleinen Eule wurden.
Der Ruf „Kuwitt, Kuwitt“, der oftmals ihren Jagdzug begleitete, wurde damals als „Komm mit, komm mit!“ verstanden. Und schon hatte der liebenswerte Kobold den Namen „Totenvogel“ weg. Um Tod und weiteres Unheil von ihren Häusern fernzuhalten, wurden dieser Vogel, aber auch der ähnlich rufende Waldkauz, von unseren Vorgängern mit gespreizten Schwingen ans Scheunentor genagelt. Das ist heute grausam und unverständlich, aber der damaligen Zeit geschuldet.

Der Vogel der Weisheit in Griechenland

Ein völlig anderes Verhältnis zu dieser Eule hatten die Griechen. Schon im antiken Griechenland wurde dieser kleine Kauz als Vogel der Weisheit und als Sinnbild der Göttin Athene hoch verehrt. Darauf weist auch sein wissenschaftlicher Name „Athene noctua“ hin, was so viel heißt wie „nächtliche Athene“.  Die Währung der Griechen, wurde von Beginn an mit dem Bild dieser Eule geprägt.  Daher kommt auch der Spruch „Eulen nach Athen tragen“. Man trug damals das Zahlungsmittel Eule nach Athen, um dort Geschäfte zu machen. Heute finden wir diese antike Münzprägung als genaues Abbild der historischen Prägung auf der 1 € Münze der Griechen wieder.

Seine Verbreitung

Bei dieser wunderschönen Eule handelt es sich um den kleinen Steinkauz, einem lustigen Kobold, dessen Verbreitung am unteren Niederrhein und in Westfalen 75% des Gesamtbestandes Deutschlands erreicht. Die fehlenden 25% verteilen sich auf alle anderen Bundesländer. Insofern ist dieser Vogel etwas Besonderes, etwas Schützenswertes.

In unserer Heimatstadt Gladbeck gibt es, Dank des Einsatzes der jagenden Bauern und einzelner Vogelschützer den kleinen Kerl an vielen Stellen. Auf fast allen Höfen haben die Bauern Nisthilfen in ihren Scheunen angebracht, mit denen sie dem Steinkauz und der Schleiereule eine Brutmöglichkeit bieten.
Um jedes Dorf in Deutschland zog sich noch bis vor wenigen Jahren ein Obstgürtel. Streuobstwiesen, die im Sommer vom Vieh genutzt wurden, boten den Menschen Obst für den Verzehr und zur Herstellung von alkoholischen Getränken. Sie boten dem Steinkauz und vielen anderen Höhlenbrütern hohle Bäume als Nistmöglichkeit und einen reich gedeckten Tisch. Damals gab es den Steinkauz flächendeckend in allen Bundesländern.
Der Wegfall der ökologisch wichtigen Streuobstwiesen, aber auch der Käfervielfalt und der Weidewirtschaft führte zum Auslöschen der meisten Bestände des kleinen Kauzes. Bei uns ist aber die Welt dieses Vogels offensichtlich noch in Ordnung. Hier findet er sein Auskommen.

Mein Fotoprojekt

Ich habe mir in diesem Jahre das Fotoprojekt „Steinkauz“ vorgenommen, dessen zweite Hälfte im kommenden Jahre verwirklicht werden soll. Für meine Aufnahmen suchte und fand ich die Brut eines Paares in einer Naturhöhle. Zu den gewonnenen Aufnahmen dieses Vogels waren viele Ansitze erforderlich. Sie gaben mir einen Einblick in das spannende Leben dieses Kauzes.

Der Kauz hat eine Größe von 20-22 cm und eine Flügelspannweite von 50-55 cm. Er ist damit die drittkleinste Eule unter den elf europäischen Arten.

Was ist ein Kauz?

Den Begriff „Kauz“ gibt es nur im deutschsprachigen Bereich. Es ist kein wissenschaftlicher Begriff. Käuze und Eulen gehören der Familie der Eulen an. Den Unterschied machen wir Deutschen in der Welt allein und orientieren uns dabei am Aussehen der Vögel. Alle Eulen mit rundlichem Körperbau nennen wir Käuze, die schlankeren Verwandten hingegen Eulen.

Der Steinkauz, Stimme, Aussehen, Beute und Lebensart

Der Steinkauz ist eine der entzückendsten kleinen Eulenarten – vor allem wegen seines drolligen Verhaltens. „Wenn er mit seinen schwefelgelben Augen neugierig aus seine Schlafhöhle lugt, oder wenn er seine Erregung durch lebhaftes Rufen und ein sehr charakteristisches Knixen ausdrückt, so wirkt er wie ein kleiner Kobold. Hoch aufgerichtet stehend, duckt er sich plötzlich in fast waagerechte Körperhaltung, um gleich darauf wieder in die Höhe zu schnellen und das in mehrfachem Wechsel.“ (Mebs, Eulen und Käuze).
Dieses Verhalten ist kennzeichnend für den Steinkauz. Außerdem fallen seine schwefelgelben Augen auf; sie liegen direkt unter fast waagerecht verlaufenden Stirnwülsten, die wie Augenbrauen wirken (siehe beiliegende Aufnahmen). Sein Schnabel wirkt wie eine Nase. Sein Gesicht hat somit menschliche Züge. Bei Betrachten der Aufnahmen kann man sich schnell vorstellen, warum der Vogel als „Vogel der Weisheit“ bezeichnet wurde.

Seine Stimme, die seinem lebhaften Wesen entspricht, ist häufig auch am Tage zu vernehmen.
Er kommuniziert mit unterschiedlichsten Rufen.
Die Steinkäuze leben in einer lebenslangen Verbindung. Im März bis April finden oftmals schon am Nachmittag Begattungen statt. Als Brutplatz bevorzugen sie natürliche Höhlen in Obstbäumen, Kopfweiden, Kaninchenbauten, Mauerlöchern, Felsspalten und auch Steinhaufen. Daher erhielt der Steinkauz seinen deutschen Namen. Drei bis fünf Eier liegen in der Bruthöhle. Wie alle Eulen so baut auch der Steinkauz kein eigenes Nest. Er legt sein Gelege auf den natürlichen Höhlengrund. Der Brutbeginn ist erst kurz vor der Ablage des letzten Eies. Dadurch werden seine Jungen auch nahezu gleich groß. Der Steinkauz ist meist am frühen Morgen und am frühen Abend aktiv. Manchmal auch am Tage. Er jagt im freien Gelände. Wälder meidet er. Der Kauz jagt oft von einem niedrigen Ansitz aus, z. B. von einem Koppelzaun, manches Mal jagt er auch zu Fuß.
Er nimmt mit Leidenschaft alle Käferarten auf, vor allem Laufkäfer, Mistkäfer, Ohrwürmer, aber auch Regenwürmer. Er jagt Mäuse und kleine Vögel. Man beobachtet ihn bei der Ansitzjagd auf Weidepfählen an Schafsweiden. Schafe garnieren den Boden reichlich mit ihren grünen Kugeln. Sie ziehen mit ihnen eine Menge Mistkäfer an, die diese Kugeln für ihr Brutgeschäft nutzen. Die Mistkäfer wiederum benötigt der Steinkauz als Nahrung für sich.
Da in den Weiden die Gräser abgeweidet sind, macht unser Freund dort leichte Beute.
Die unverdaulichen Überreste seiner Beute speit er in Speiballen, den Gewöllen, aus. Man findet sie haufenweise an seinem Ruheplatz.
Wenn der weibliche Vogel brütet, sitzt der männliche Vogel in der Nähe und wacht über alle Ereignisse in Höhlennähe. Bei Gefahr warnt er den brütenden Vogel, knixt mehrfach und fliegt zu einem anderen Ort. Von dort beobachtet er die Situation weiterhin genau. Der stille Beobachter vernimmt auch oft, in den Ruhephasen des Käuzchens, eine leise Kommunikation zwischen den Partnern.

Ausblick

Mir sind in diesem Jahre sehr viele eindrucksvolle Beobachtungen der Käuze gelungen, die ich zum größten Teil in Aufnahmen festhalten konnte. Im nächsten Jahr möchte ich mein Projekt mit Aufnahmen der Balz und dem Ausfliegen der Jungvögel abschließen. Gleichzeitig strebe ich Beobachtungen und Dokumentationen der Schleiereulen und des Waldkauzes an. Ich hoffe auf viel Zeit, gutes Wetter und eine Menge Glück, damit diese Vorhaben auch gelingen.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

Quellen:

  • Theodor Mebs, Eulen und Käuze, Verlag Kosmos
  • Lohmann/Nill/Pröhl Die magische Welt der Eulen Verlag blv
  • Pröhl/Nill/Ziegler Coole Käuze, Verlag Kosmos
  • Die Vögel des Rheinlandes (Nordrhein)
  • Herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Ornithologen Gesellschaft