Notwendige Lautäußerungen und wie man sie nachahmt.
Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

Diese nach der Pirsch reizvollste Jagdart, ist mittlerweile nahezu ganz verschwunden. Nur wenige Jäger verstehen es, die Lautäußerungen der Tier- bzw. Wildarten zum richtigen Zeitpunkt zu imitieren, um so die getäuschten Wildtiere in Anblick zu bekommen, oder sie gar zu bejagen.

Selbst in den Rahmenlehrplänen zur Ausbildung unserer Jungjäger sucht man diese Art der Jagd vergeblich. Sie findet einfach nicht statt. Dafür aber lernt man Zahnformel vorwärts und rückwärts, die man, falls jemals erforderlich, auch der Literatur entnehmen kann. Ich jedenfalls musste in 53 Jahren heißer Jagd nur zweimal auf Zahnformeln zurückgreifen, habe aber mein Leben lang die Rufjagd mit Leidenschaft ausgeübt. Meine jagdlichen Lehrmeister verstanden diese Art der Jagd allesamt nicht. Sie konnten sie mir daher auch nicht nahebringen. Durch Selbststudium arbeitete ich mich langsam in die Rufjagd hinein und erlebte so die Natur um mich herum mit offenen Sinnen. Dabei haben mir die Bücher von „Hermann Löns“ sehr geholfen. Er schreibt dort in einzelnen Kapiteln, dass er das Mäuseln auf dem Daumennagel oder mit gespitzten Lippen, die Kaninchenquäke auf dem Handballen und die Hasenquäke auf der Faust nachahmte. Das reichte mir schon. Ich übte so lange, bis mir die notwendigen Stimmen gelangen.

Dieser Bericht, bestehend aus vier Teilen, soll Ihnen einen Einblick in die Lautäußerungen, die zur Rufjagd benötigt werden geben und das Interesse an dieser Art der Jagdausübung wecken. Bei der Rufjagd geht es beileibe nicht nur um zu bejagende Wildarten, sondern auch um geschützte Wildtiere die man „foppen“ kann, um sie so in Anblick zu bekommen.
Derjenige, der die Lautäußerungen der Wildtiere versteht und zum richtigen Moment nachahmt, bereichert sein jagdliches Erleben. Er jagt aktiv und sitzt nicht nur in frischer Luft und luftiger Höhe, bestaunt seine sündhaft teure Büchse mit Schalldämpfer und Nachtzieloptik und verkürzt so, erlebnisreich, seine Zeit bei manchem Ansitz.
Allerdings sollte er seine Mickymäuse vom Ohr nehmen, damit er die Natur auch akustisch wahrnimmt.
Denn die Grundbedingung für eine erfolgreiche Reizjagd ist die Kenntnis der Stimmen möglichst vieler Mitgeschöpfe und ein fundiertes Wissen über deren Lebensweise.
Weitere Grundbedingungen sind  Geduld, Ausdauer und ein gutes Gehör. Diese Eigenschaften werden wichtig, will man die Tierstimmen erlernen.
Es gibt dazu sehr viele Instrumente die fantastisch funktionieren. Aber auch mit ihnen muss ständig geübt werden, um die richtigen Töne hervorzuzaubern. Besser als Instrumente sind allerdings Hände, Mund und Lippen. Sie sind immer dabei, sie kann man nicht vergessen.
Unsere Altvorderen hatten keine Superwaffen, wie sie uns heute zur Verfügung stehen. Sie mussten, um das Wild zu erlegen, an die Beute herankommen. Die mangelnde Fähigkeit ihrer Waffen mussten ausgeglichen werden und so wurde sie zu Entdeckern einzelner Lockmöglichkeiten.
Eifersucht und Beutetrieb der zu bejagenden Tiere wurden von ihnen genutzt, um so die Distanz des Jägers zur Beute zu verringern.
Ich werde im Folgenden die einzelnen Lockmöglichkeiten beschreiben und Ihnen Hinweise zu ihrer Nachahmung geben.

Die hohle Faust

Unsere Hände können vielseitig eingesetzt werden. Zur hohlen Faust geformt, sind sie eine Grundlage für die Nachahmung vieler Tierstimmen.

Bild 1 zeigt zwei Hände, die zu einer dicht abgeschlossenen Kugel geformt werden. Lediglich zwischen den zusammenliegenden Daumen wird ein Spalt gelassen, durch den man einen Luftstrom bläst.
Es bildet sich eine „hohle Faust“, die ein vorzügliches Instrument zum Anlocken vieler Wildtiere darstellt. Wenn man nunmehr den Mund über die geknickten Daumengelenke führt, den oberen Spalt ganz, aber den unteren Spalt nur zu ¾ mit seinen Lippen abdeckt (Bild 2), kann man durch schwaches Hereinblasen der Luft einen dunklen Ton erzeugen. Bitte probieren Sie es einmal. Es funktioniert tatsächlich. Dieser Ton ist die Grundlage vieler Tierstimmen, die wir mit der hohlen Faust nachahmen können.

Da ist zuerst der Ringeltauber.

Er wurde zu früheren Zeiten gerade im zeitigen Frühjahr bejagt und galt als „Auerhahn des kleinen Mannes“. Der Jäger sprang den rufenden Tauber wie den Hahn bei der Jagd auf den Auerhahn an und nutzte den Ruf, um dessen Eifersucht anzustacheln. Immer, wenn der Ruf des Taubers endete, antwortete der Jäger sofort. Nur so verstand der Tauber, dass er gemeint war. Der Jäger sprang heran, bis er sich schließlich auf Schussentfernung genähert hatte und den Tauber erlegen konnte. Er brachte mit seinem Ruf aber auch sehr oft den Tauber zum Zustehen.
Man muss sich den Ruf des Ringeltaubers in der Natur genau einprägen, um ihn exakt nachahmen zu können. Der rucksende Tauber hält seine Strophe genau ein. Sie klingt wie hier angegeben.

Huu huu hu hu-huhuu hu hu hu- huhuu hu hu hu –hug.

Dabei ist die Endsilbe hug deutlich zu betonen und darf niemals fehlen. Mit dieser Strophe können Sie den Tauber zum Zustehen verleiten. Wenn Sie bei einem Spaziergang mit Ihren Lieben auf diese Art einen Tauber dazu bringen über ihren Kopf hinweg zu streichen, kann das zwei Reaktionen hervorbringen.
Entweder ist Ihre Familie begeistert, Ihr Ansehen steigt mächtig, Ihre jagdlichen Fähigkeiten werden erkannt und endlich einmal gewürdigt, oder alle anwesenden Familienmitglieder schütteln den Kopf und sagen: „Nun spinnt der Kerl völlig!“
Sie können ganz sicher sein, die erste Reaktion überwiegt bei Weitem.
Wenn sie diese Strophe durch lange Übung vollkommen sicher wiedergeben können, dürfen Sie sich an die Lautäußerungen einer weiteren Taubenart heranwagen.

Die Türkentaube

Diese kleine isabellfarbene Taube aus dem Orient ist mittlerweile in jeder Stadt anzutreffen.
Ihr Lebensraum ist die offene Landschaft, sind die Stadt, das Dorf und die Parkanlagen. In Wäldern sucht man diese Taube vergeblich. Sie ist der Vogel, der von allen Taubenarten am sichersten zusteht.
Ihr Rucksen klingt wie angegeben:

ku kuuu ku, ku kuuu ku, ku kuuu ku, ku kuuu ku, ku kuuu ku


Dabei fällt die hier kursiv dargestellte Strophe in ihrer Tonhöhe etwas ab.
Wenn Sie im Garten ihren Liegestuhl nutzen, sollten Sie die nächste rucksende Türkentaube anlocken.
Sie werden es erleben, dass Sie diese Taube immer wieder aus unterschiedlichen Richtungen und in niedriger Höhe überfliegt.
Stellen Sie aber den Liegestuhl so, dass Sie Ihr lieber Nachbar nicht als Verursacher dieser Lock-Arie erkennt. Der Ruf der Taube kann nämlich sehr nerven und den nachbarschaftlichen Frieden stören.
Sollten Sie aber sowieso ein gestörtes Verhältnis zu Ihrem Nachbarn haben, grinsen Sie in sich hinein und heulen Ihre Strophe munter weiter.

Die Turteltaube

Die zierliche Taube ist der einzige echte Zugvogel unter unseren vier Taubenarten. Sie lebt an lichten Waldrändern und in Feldgehölzen. Auch sie kann leicht gereizt werden. Dazu muss man seine auf der hohlen Hand geblasene Stimme mit einem trillernden Koller unterlegen. Sie sollten dazu ihre Zunge zwischen dem oberen und unteren Gaumen schnell trillernd auf und ab bewegen. Der hier erzeugte Ton hört sich wie Trrrrrrrr an. Wenn dieses Vibrieren der Zunge gleichzeitig zur heulenden Stimme des Taubers erzeugt wird, verfügt man über die Basis des Turteltaubenrufs.

Es gibt zwei unterschiedliche Rufreinen, die aber nicht gemischt werden sollten.

1. Tuurrr turtur, -tuurrr turtur, -tuurrr turtur!
2. Tuuuur tuuuur tur, tuuuur tuuuur tur, tuuuur tuuuur tur!

Diese Rufe können bis zu einer halben Stunde in Folge zu hören sein.

Wenn man mit diesem Ruf im Revier einer Turteltaube lockt, steht sie auch zu. Meistens vollführt sie allerdings einen Balzflug der senkrecht nach oben steigt und dann über Segeln und Gleiten im Bogen zu ihrem Sitzplatz zurückführt.
Die Bestände der Turteltaube haben sich in den Letzten Jahren sehr stark verringert. Für diesen Rückgang gibt es bis jetzt keine eindeutige Erklärung.

Die Hohltaube

Die Hohltaube ist eine kleine dunkle Taube die in alten Buchenbeständen lebt. Sie ist auf Höhlen des Schwarzspechtes angewiesen, nimmt aber auch gerne Nisthilfen an. Ihren Balzruf ahmt man mit seiner Stimme und nicht auf der hohlen Faust nach.
Er erinnert an das Hobeln eines Tischlers und hört sich wie folgt an:

Hug-he, hug-he, hug-he, —hug-he, hug-he, hug-he,  hug-he,…

Dabei wird der Laut he durch Hereinsaugen von Luft erzeugt. Derjenige, der diesen Ruf mit seiner Stimme nachahmen kann, wird sich mit dieser Taube prächtig unterhalten.

Übrigens: Die Balz aller Tauben wird intensiv betrieben. Balzkämpfe werden bis zur völligen Erschöpfung beider Kontrahenten geführt. So steigen Hohltauben Brust an Brust in die Höhe und schlagen sich dabei mit den Flügeln. Ringeltauben prügeln sich Minutenlang in den Kronen alter Bäume, fallen zu Boden und schlagen auch dort aufeinander ein. Die Erschöpfung und die Wut der Tauben ist dabei so groß, das der Beobachter sich bis auf einen Meter weit nähern kann, ehe sie abstreichen um im nächsten Baum wieder den Kampf aufzunehmen. Die sich schnäbelnden Täubchen als Friedensymbol sind reines Wunschdenken der Menschen und haben mit der Realität nur wenig zu tun.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

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