Gerade in dieser beginnenden Zeit der Aufzucht aller Jungtiere in Wald und Feld, kommt es immer wieder dazu, dass gefundene Wildtiere aufgenommen und zu Aufzuchtstationen gebracht werden. Natur- und Tierschutzgruppen fordern im Internet geradezu zu solch einem Fehlverhalten auf und bedienen sich dabei der Worte „Mitfühlend“ und „Verwaist“.
Verwaiste Tiere gibt es äußerst selten (Heuler an der Küste) und das Wort „Mitfühlend“ sollte besser durch das Wort „Mitdenkend“ ersetzt werden. Es werden immer nur die weiblichen Beschützerinstinkte angesprochen und das offensichtlich mit großem Erfolg. Das Mitdenken wird jedenfalls hintenangestellt.

Bald sitzen viele Eulen und andere Greifvögel als Ästlinge in den Kronen ihrer Nistbäume, oder auf dem Boden unter ihnen. Flugunfähig warten sie auf die futterzutragenden Eltern. Diese Vögel sind nicht verwaist, auch wenn kein Altvogel in der Nähe ist. Es wäre völlig falsch, sie aufzunehmen und in eine Aufzugsstation zu verbringen. Diese Stationen werden alljährlich von so viel „Mitgefühl“ überrannt und stöhnen unter der finanziellen Last, die solch eine „Tierrettung“ mit sich bringt. Übrigens: Die Elterntiere der Waldkäuze und der Bussarde greifen in solch einer Rettungssituation gerne den Menschen an. Sie fliegen ihm ins Gesicht und können ihn schwer verletzen. Das Gleiche passiert Joggern oder Spaziergängern, die den Jungvögeln unwissentlich zu nahe kommen.

Nicht anders ist es bei Rehen und Hasen. Die sind, wenn man sie findet, nahezu nie verwaist.

Die Häsin setzt 3 – 5 behaarte und sehende Junge, die ca. 3 -4 Tage zusammen hocken. Dann hoppelt ein jedes in eine andere Richtung davon und sucht sich seine eigene sichere Deckung. Nur einmal am Tage, meist gegen Mitternacht, kommt es zu einem konspirativen Treffen aller Junghasen mit der Häsin an einen offensichtlich verabredeten Punkt. Dort wird dann die Milchbar eröffnet und es beginnt ein großes Gelage.

Der Hase ist schon als Jungtier ein Einzelgänger und nicht verwaist. Das gezeigte Verhalten dient der Feindvermeidung. Ein Fuchs findet so nur ein Häschen und nicht gleich einen ganzen Satz. Es sterben nur ein Hase und nicht alle Junghasen gleichzeitig.

Bei unserem Rehwild verhält es sich ähnlich.

Die Ricke setzt in der Regel ein Kitz. Manchmal können es auch zwei oder drei Kitze sein.

Das Kitz wird in sicherer Deckung abgelegt. Es hat noch keinen Eigengeruch. Nur aus seiner Nasenöffnungen strömt ein Duftstrom, der von seiner Mutter in einer Entfernung von 40-60 Metern ständig wahrgenommen wird. Bei Gefahr verschließt das Kitz beide Nasenöffnungen luftdicht und duckt sich auf den Boden. Die Geruchsverbindung zur Mutter wird unterbrochen. Sie wird dadurch alarmiert und geht sofort zum Angriff auf die Gefahrenquelle über.

Bei Gefahr durch Menschen oder größere Hunde ist das nicht der Fall. Dann wartet die Ricke ab und ist dadurch kaum zu sehen. Auch dieses Kitz ist nicht verwaist.

Wie bei den Hasen, liegen auch bei mehreren Kitzen, alle an verschiedenen Orten (Reduzierung der Verluste).

Nach 7 – 8 Tagen folgt das Kitz seiner Mutter auf Schritt und Tritt. Die Ricke ist dann in der Lage, das Kitz aus der Deckung eines zu mähenden Feldes zu führen. Es passiert ganz selten, dass es zu einem Verkehrsunfall kommt, bei dem nur die Ricke getötet und das Kitz verwaist wird.

Vielmehr wird ein Kitz verwaist, wenn es durch Streicheln oder Anfassen den menschlichen Geruch angenommen hat und von seiner Mutter nichtmehr erkannt wird. In einem solchen Falle befindet es sich in akuter Lebensgefahr.

Darum hier die Bitte des Hegeringes

Bitte liebe Naturfreunde. Fassen sie niemals ein gefundenes Stück Wild an, auch wenn es noch so „niedlich“ ist. Entfernen sie sich schnell vom Fundort, ohne die Vegetation herunter zu treten. Sonst weisen sie jedem Fuchs, aber auch anderen Feinden(Mensch, Hund e.c.) den Weg zu ihrem gefundenen Wildtier.

Sollten sie ein verletztes Wildtier finden, benachrichtigen Sie mit Hilfe der Polizei den zuständigen Jäger (Jagdausübungsberechtigten). Die Polizei besitzt seine Telefonnummer.  Er kümmert sich um das Tier. Nehmen sie das Tier niemals mit. Der Gesetzgeber wertet dieses Verhalten aus guten Gründen als Jagdwilderei.

Eulen und Greifvögel sollte man nur bei klar zu erkennender Verletzung zu einer Auffangstation verbringen. Auch hierbei hilft Ihnen der Jäger (Jagdausübungsberechtigte).

Nehmen Sie bitte Ihren vierläufigen Freund in der Zeit zwischen dem 1. April und 15. Juli  an die Leine und zwar auch außerhalb von Gebieten mit ausgewiesenem Leinenzwang. Nur so zeigen Sie Verständnis für die Natur. Nur so werden Sie zu einem Freund unserer Wildtiere.

Hier noch ein Beispiel:

Ich befand mich auf einem nahe gelegenen Forsthof, als der Revierleiter den Anruf eines befreundeten Tierarztes erhielt. Ein Polizistenehepaar, hatte ein verletztes Rotwildkalb im Naturschutzgebiet „gefunden“ und es ihm gebracht. Ein Jäger hätte das Tier offensichtlich von hinten mit Schrot beschossen, so die Aussage des Ehepaares. Für die Arztkosten wolle es aufkommen. – Das Kalb verendete noch in der Praxis.
Nach dem Besuch des Revierleiters in der Tierarztpraxis stellte sich das Bild ganz anders dar. Es handelte sich einwandfrei um einen Hundebiss, der zu offenen Verletzungen an der Keule geführt hatte.

Das Ehepaar besaß einen Belgischen Schäferhund, den es offensichtlich frei laufen ließ.

Der Hund konnte bei einem Angriff auf das Kalb zwar zurückgerufen werden, hatte aber einmal zugepackt. Das Zupacken und der Transportstress führten zum Tode des Kalbes.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)