„Regelrechtes Vogelsterben“ in Deutschland

Star

12,7 Millionen oder 15 Prozent aller Vogelbrutpaare in Deutschland, das ist die dramatische Bilanz der heute veröffentlichten Auswertung. Diese beruht auf Vogelbestandsdaten, die die Bundesregierung 2013 an die EU gemeldet hat. Die summierte Zahl der Brutpaare aller Vogelarten ging demnach zwischen 1998 und 2009 von 97,5 auf 84,8 Millionen Paare zurück.

Viel mehr Arten betroffen als angenommen

Bis dato war immer nur über die Zu- oder Abnahme auf Artenebene diskutiert worden. Anhand der neuen Zahlen lässt sich belegen, dass das Vogelsterben viel mehr Arten betrifft, als bisher angenommen.

„Aufgrund dieser dramatischen Zahlen muss man von einem regelrechten Vogelsterben sprechen. Während wir es schaffen, große und seltene Vogelarten durch gezielten Artenschutz zu erhalten, brechen gleichzeitig die Bestände unserer Allerweltsvögel ein. Sie finden einfach in unserer heutigen aufgeräumten Agrarlandschaft außerhalb von Naturschutzgebieten keine Überlebensmöglichkeiten mehr.“
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident

Größter Verlierer: der Star

Am stärksten betroffen ist der Star, eigentlich einer der häufigsten Gartenvögel. Bei ihm brach der Bestand besonders drastisch ein: 42 Prozent weniger Brutpaare. Aber auch beim Haussperling, Wintergoldhähnchen und Buchfink gingen die Bestände deutlich zurück. Dabei sind das für Ornithologen eigentlich Allerweltsvögel. Auch Feldlerche, Grünfink, Zilpzalp, Feldsperling und Goldammer gehören zu den zahlenmäßig größten Verlierern.

 

„Sowohl bei den seltenen als auch bei den häufigen Arten, sind die Vögel der Agrarlandschaft am stärksten betroffen. In der Entwicklung unserer landwirtschaftlich genutzten Flächen ist auch der mutmaßliche Grund für diesen massiven Bestandseinbruch zu suchen.“
Lars Lachmann, Nabu-Vogelexperte

Erst die Insekten, dann die Vögel

Für den Nabu-Vogelexperten liegt der Zusammenhang mit dem Rückgang artenreicher Wiesen, Weiden und Brachflächen auf der Hand. Denn diese gingen in demselben Zeitraum deutlich zurück, wohingegen der intensive Anbau von Mais und Raps zunahm. Erst diese Woche hatte eine Langzeitstudie zum Insektensterben alarmierende Zahlen geliefert. Laut dieser hat die Gesamtmasse an Fluginsekten in den vergangenen 27 Jahren in Nordwestdeutschland um 76 bis 81 Prozent abgenommen.

 

„Ein direkter Zusammenhang mit dem Vogelrückgang ist sehr wahrscheinlich, denn fast alle betroffenen Arten füttern zumindest ihre Jungen mit Insekten.“
Lars Lachmann, Vogelexperte Nabu

 

Als hauptverantwortlich für den starken Insektenrückgang gilt die intensive Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Insektiziden. Möglicherweise spielt auch der Klimawandel eine wichtige Rolle bei der Entwicklung.

Reaktionen auf Nabu-Zahlen

Das Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee verfügt zwar über keine eigenen Daten, aber auch hier beobachtet man einen schleichenden Verlust von Vogelarten. Es treffe auch Vögel wie den Star und den Haussperling, die man für häufig halte und die Wissenschaftler bisher als „erfolgreich im Umgang mit Menschen“ eingeschätzt hätten.

Der Deutsche Bauernverband hingegen betrachtet die Auswertungen zum Rückgang der Vögel mit Vorsicht. Die Daten beruhten auf Schätzungen mit teils sehr großen Spannen und schlechter Datenqualität, kritisierte Sprecher Michael Lohse. Eindeutige Rückschlüsse auf die Ursachen der Bestandstrends ließen sich daraus nicht ziehen.

 

Von: Roana Brogsitter – br.de