Wölfin Gloria – Erfreulicher Zuzug oder Schrecken?

Foto eines Wolfs

Die Wölfin „Gloria“ hält die Bevölkerung im Wolfsgebiet Schermbeck in Atem. Fast wöchentlich erscheint ihr Name in der Presse. Mittlerweile hat diese Wölfin ein Gesicht und eine Geschichte. Sie zieht eine lange rote Fährte von Nutztierrissen hinter sich her und hat sich dadurch, meiner Meinung nach, zu einer echten Problemwölfin entwickelt.

Nach der Liste des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, wurden Gloria im Zeitraum vom 13.04.2018- 13.12.2018  zweiundfünfzig  (52) Nutztierrisse zugeordnet.
Damit hat sie dem Projekt Wolf, nach der berüchtigten „Goldenstedter Wölfin“, den bislang größten Schaden zugefügt.
Für mich war das Grund genug, um an einer Informationsveranstaltung des NABU, am 31.01.2019 in Bottrop-Kirchhellen teilzunehmen.
Über diese Veranstaltung möchte ich hier berichten.

Die Wölfin mit der Kennzeichnung GW954f polarisiert extrem. Und so kamen trotz glatter Straßen und kräftigem Schneefall sicherlich 70 Personen in den viel zu kleinen Saal einer Gastwirtschaft. Wer keinen Sitzplatz ergattern konnte, musste stehen.
Das Referat des Abend hielt Frau Dipl.-Biologin Katharina Stengelein, Koordinatorin des Projektes „Die Rückkehr des Wolfes nach NRW“ beim NABU.
Eingeladen waren auch vier Schäfer, deren Herden bereits von „Gloria“ heimgesucht worden waren.

Um es vorweg zu sagen, Frau Stengelein versuchte ein objektives Bild des Wolfes zu zeichnen, nutzte aber Balkendiagramme, deren Aussagekraft zweifelhaft waren.
So wurde in einem Diagramm die Akzeptanz der Rückkehr der Wölfe in der gesamten Bevölkerung dargestellt. Diese Akzeptanz war selbstverständlich im großen Maße vorhanden. Das war ein Bild, das alle anwesenden Wolfsfreunde erfreute. Zur Ehrenrettung der Vortragenden sei allerdings gesagt: „Sie wies in einem Nebensatz darauf hin, dass bei alleiniger Berücksichtigung der ländlichen Bevölkerung das Diagramm wohl völlig anders aussehen würde“. –  Was soll dann ein solches Diagramm? 85% der deutschen Bevölkerung lebt mittlerweile in der Stadt und damit sehr weit vom Wolf und den von ihm verursachten Problemen, aber auch von jeglicher Naturrealität entfernt.
Die Meinung dieses Bevölkerungsteiles kann damit getrost geknickt werden. Es ist, wie immer mit BUND und NABU. Mit der städtischen Bevölkerung im Nacken wird stets mit Leidenschaft und erfolgreich gegen die Probleme der ländlichen Bevölkerung argumentiert.

Das zweite Diagramm befasste sich mit dem Nahrungsspektrum der Wolfspopulation.
Es zeigte sich, dass Muffelwild nur zu 0,3% in der Losung als Beute des Wolfes nachzuweisen war. Das diese Angaben für Reviere mit Muffelwild nicht im Geringsten stimmten, wurde außen vorgelassen. Das Muffelwildproblem wurde mit diesem Diagramm jedenfalls minimiert. So funktionier Meinungsmache. Man verbiegt die Zahlen derart, dass sie dem politischen Vorhaben genügen.
In einer Vorlage wurde der nächtliche Weg einer besenderten Wölfin aus Brandenburg dargestellt. Diese Wölfin folgte unterschiedlichsten Landschaftsteilen und kam dabei menschlichen Behausungen in Dörfern sehr nahe. Zu Übergriffen auf Nutztiere kam es dabei aber nicht. Und das sollte hier ausgesagt werden.
In ihrem Vortrag schloss Frau Stengelein einen Übergriff des Wolfes auf Menschen nicht aus.

Als Gastredner berichtete Achim Koop, hauptberuflicher Schäfer, Herr über 600 Mutterschafe und Ziegen, von seinen Erfahrungen mit dem Wolf. Ein Wolf hatte im Jahre 2016 drei seiner Ziegen gerissen und vier schwer verletzt. Alle Tiere der betroffenen Herde seien schwer traumatisiert gewesen, sodass eine ordentliche Arbeit mit ihnen ausgeschlossen war. Die Tiere bildeten bei der kleinsten Störung den bekannten Schutzkreisel auf der Weide und nahmen kaum Nahrung auf. Erst das Zusammenführen dieser Herde mit nicht traumatisierten Tieren, brachte die Lösung. Die vom Land geförderten Herdenschutzmaßnahmen habe er umgesetzt. Seit dem gebe es keine Probleme mehr mit dem Wolf. Er könne jedenfalls gut mit dem Wolf leben.

Ich stellte mir die Frage, was ich hier eigentlich sollte. Selbst die Schäfer konnten ja mit dem Wolf leben. – Ja, dann ist doch alles O.K.
Die anschließende Diskussion zeigte jedoch ein anderes Bild. Von drei weiteren anwesenden hauptberuflichen Schäfern, meldete sich nur ein Schäfer kritisch zu Wort, der ebenfalls Wolfsübergriffe erleben musste. Wollten etwa die anderen dem Naturschutz nicht auf die Füße treten? Ging es hier etwa um eine reibungslose Schadensregulierung?
Eine „Wolfspatin“, berichtete von einer Exkursion nach Brandenburg, die sie mit Kindern durch die Heide führte. Sie hätten nicht einmal einen Wolf gesehen und ihre Kinder seien auch nicht gebissen worden. Das überzeugte alle Anwesenden von der Harmlosigkeit Isegrims. Die anwesenden Jäger waren tief beeindruckt.

Doch dann meldete sich ein Vertreter unserer Jägerschaft zu Wort. Er stellte sich als Vertreter des Landesjagdverbandes vor und warf einige bedenkenswerte Worte in die Diskussion. Wäre da nicht ein alter Ausrutscher gewesen, der offensichtlich tief in vielen Jägerbrüsten schlummert, hätte man applaudieren können.
Doch einige Jäger können es nun mal nicht lassen. Rotkäppchen wurde wieder aus der Mottenkiste gekramt und das führte zu einem allgemeinen Gelächter. Damit hatte der Mann sich und seine guten Argumente völlig unglaubwürdig gemacht. Seine weiteren Diskussionsbeiträge wurden daher kaum wahrgenommen.
Eine Dame, die neben einem betroffenen Dammwildgehege wohnte brachte ihre Ängste überzeugend vor. Das Dammwildgehege verlor bei einem Angriff Glorias 11 Tiere. Die Rednerin wohnt mitten im Wald und muss ihre kleine Tochter täglich ca. 500 Meter zur Bushaltestelle am Feldrand begleiten. Man kann sich vorstellen mit welchen Worten sie ihr Verhältnis zu Isegrim ausmalte.
Die Veranstalter des Abends nahmen zu ihren Ausführungen keine Stellung.
Ein Landwirt und Bezirksbürgermeister meldete seine Bedenken an. Er stellte die Frage, ob es nicht möglich sei Gloria zu entnehmen. Unverzüglich zog sich der Leiter der Diskussion hinter die europäische und deutsche Naturschutzgesetzgebung zurück, an der man nicht rütteln könne.
Als Bezirksbürgermeister sprach der Redner von seiner großen Sorge, dass die Hobbyschäfer, die das Bild seines Heimatortes prägten, die Schafzucht aufgeben würden. Das gelte es zu verhindern. Einige dieser Schafzüchter, die sich die Herdenschutzmaßnahmen einfach nicht erlauben könnten, hätten sich schon diesbezüglich geäußert.

Ein Diskussionsbeitrag sorgte bei mir für blankes Entsetzen. Eine Dame rief erregt: „Das sind doch die Jäger. Die schießen alles tot. Es gibt schon keine Wildschweine mehr. Wovon soll der Wolf denn noch leben?“
An die Denkweise einiger NABU- oder BUND-Beitragszahler muss man sich offensichtlich erst einmal gewöhnen.

Ich erlaubte mir, das Pferd des Abends einmal von hinten aufzuzäumen und stellte nach persönlicher Vorstellung die Frage, „Wer soll das in Zukunft bezahlen?“ Nach Angaben des BUND gäbe es in Deutschland im Moment ca.1000 Wölfe. Bei der bekannten Vermehrungsrate wären das in drei Jahren 2000 und in sechs Jahren 4000 Wölfe. Ich würde keine Wildart kennen, mit Ausnahme der rastenden Wintergäste an unseren Flüssen, für die das Land NRW Wildschäden bezahlt. Füttern würde Isegrim  letztlich der Steuerzahler und der werde irgendwann einmal dumme Fragen stellen. Das Wesen unserer Demokratie sie der Kompromiss. Ich könnte mir vorstellen, dass dem Wolf als Lebensraum bestimmte Gebiete zugeteilt würden, ähnlich wie das für unser Rotwild seit vielen Jahrzehnten geschieht und zwar um Schäden im Forst und der Landwirtschaft zu minimieren. Es gäbe schließlich auch rotwildfreie Zonen. Warum gäbe es nicht auch wolfsfreie Zonen? Das wäre doch solch ein Kompromiss. In der Slowakei würde genau dieses Prinzip verfolgt. Die Wölfe wären im Nationalpark Hohe Tatra streng geschützt. Wenn sie aber den Park verließen, dürften sie gejagt werden. Im vergangenen Jahr belief sich dort die Strecke immerhin auf 150 Wölfe.
(Mein Dank gilt an dieser Stelle Herrn Bertram der mir mit seinen Beiträgen diesen Gedanken nahe gebracht hat).
Nach einer kleinen Pause, bei der man die berühmte fallende Stecknadel vernommen hätte, erholte sich der Leiter der Diskussion von seinem offensichtlichen Entsetzen und fegte, schneller und lauter redend als ehemals Dieter Thomas Heck, mit den Worten:“ Das gehört nicht hierher. Dafür sind der deutsche Staat und Europa zuständig und an die entsprechenden Gesetze hat man sich zu halten“ das Thema vehement vom Tisch. Schon in der laufenden Diskussion wurde immer wieder auf die europäische Gesetzgebung und auf das Bundesnaturschutzgesetz verwiesen. Damit wurden alle Versuche, über eine Entnahme Glorias nachzudenken, geschweige denn zu reden, erschlagen.
Zum Abschluss warf der vierte und einzige kritische Schäfer die Frage auf, ob Gloria nicht schon längst ein „Problemwolf“ wäre. Immerhin wär der Wolf schon zum zweiten Male in eine Herde eingebrochen und das bei ordnungsgemäßem Herdenschutz und unter Missachtung zweier Herdenschutzhunde.
Der Schaden wurde bestätigt. Nicht bestätigt wurde aber die eindeutige Zuordnung des Risses zur Wölfin Gloria. Damit darf sich das Tier weiterhin seiner Freiheit erfreuen. Der betroffene Schäfer allerdings darf sich schwarz ärgern.

Ich kann nur alle Jäger auffordern, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen und Flagge zu zeigen. Es ist wichtig, dass beide Seiten, der Naturschutz und die Jägerschaft sich und ihre Meinungen kennenlernen. Nur so kommt man auf Dauer zu tragfähigen Kompromissen. Nur, bitte, lassen sie jeglichen Vergleich mit Rotkäppchen. Damit werfen Sie letztendlich der Jägerschaft Steine in den Weg.  Sprechen sie lieber von Übergriffen auf den Menschen, das ist erträglicher und wird auch akzeptiert.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)