Wölfe töten Hund und belauern den Besitzer

Von Sabine Leopold, agrarheute

Im norditalienischen Trentino haben Wölfe einen Hund getötet und dessen Besitzer belagert bis endlich Hilfe eintraf. Für einen deutschen Journalisten könnte diese Entwicklung bald zu einer ungewöhnlichen Mahlzeit führen. Ein Kommentar.

Derzeit wird im Netz viel über den Dunning-Kruger-Effekt diskutiert. Der besagt, dass sich eine Person ihres Standpunkts zu einem Thema umso sicherer ist, je weniger sie dazu wirklich weiß. Erst mit tieferer fachlicher Beschäftigung wachsen die Zweifel an der Richtigkeit aller Annahmen.

Die Folge: Auf fast allen Gebieten trompeten vor allem diejenigen selbstsicher ihre Meinung heraus, die in Wirklichkeit nur über oberflächliches Halbwissen verfügen. Und leider sind sie dabei oft so laut und von sich überzeugt, dass sie fälschlicherweise für echte Experten gehalten werden.

BILD-Redakteur rät: „Durchatmen statt durchladen“

Einen neuen Namen unter den Dunning-Kruger-Spezialisten hat sich gerade der ehemalige Wendy-Chefredakteur Max Boeddeker in der Bild am Sonntag (BamS) gemacht. Vergangenes Wochenende erklärte er in einem Kommentar den Landwirten und Dorfbewohnern sinngemäß, sie mögen doch mal endlich nicht mehr so ein Theater wegen der Wölfe machen: „Ich fordere: durchatmen statt durchladen!“

Meine Güte, das sei doch nun alles wirklich kein großes Ding. Ja, gut, Schafe und Ziegen würden schon gerissen und das sei auch ärgerlich, aber dagegen gebe es ja gescheite Zäune und „vor allem Hütehunde“ (sic!).

Der Experte aus dem dritten Stock

Eins, tönt Boedekker, sei jedoch klar: Seit der Wiederansiedlung des Wolfs in unseren Breiten habe es keinen einzigen Angriff auf Menschen gegeben. Und das – da ist sich der „Experte“, der nach eigenen Angaben im dritten Stock einer Großstadtwohnung lebt, vollkommen sicher – werde auch in Zukunft nicht vorkommen. Denn der Mensch stehe nun einmal nicht auf dem Speiseplan des Wolfs.

Jawohl, da legt Max Boeddeker sich fest! Und verspricht: „Sobald der erste Wolf einen Menschen angreift, fresse ich meine Worte.“

Wanderer von Wölfen belagert

Nun, dieser etwas ungewöhnliche Imbiss könnte schneller auf seinem Speiseplan stehen, als ihm lieb ist. Fast zeitgleich, als Boeddeker nämlich seine großspurigen Worte schrieb, wurde laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA vom 17. Januar 2022 im norditalienischen Trentino ein Fußgänger von Wölfen belagert.

Das siebenköpfige Rudel hatte zuvor einen seiner beiden Hunde gerissen.

Erst Hilfskräfte brachten das Wolfsrudel zum Abziehen

Der Skilehrer Martino Raineri war am Samstag gegen 16 Uhr mit seinen Hunden in der Nähe einer Skihütte bei Folgaria unterwegs, als eins der beiden Tiere sich ein Stück entfernte. Als der Hund laut aufjaulte, suchte Raineri nach ihm und fand ihn mit aufgerissenem Leib inmitten eines Wolfsrudels.

Der Mann versuchte sich vor den Wölfen, die ihn inzwischen ins Visier genommen hatten, zu verstecken und rief den Notruf. Erst die nach über einer halben Stunde anrückenden Helfer brachten die Wölfe schließlich dazu, abzuziehen.

Wölfe meiden Risiken … immer seltener

Dieser Übergriff ist nicht der erste, über den Medien berichten. Das Besondere hier: Es gibt mehrere Zeugen für das Geschehen. Die meisten anderen Fälle spielten sich immer nur in Gegenwart einzelner Menschen ab. Wölfe vermeiden nun einmal Risiken und nähern sich in der Regel nur Einzelpersonen – immer wieder auch Hunde- oder Pferdehaltern, die mit ihren Tieren unterwegs sind. Doch das Trentiner Rudel war so auf Beute fixiert, dass es offenbar jede Gefahr ignorierte. Bisher ein Einzelfall, doch der Ablauf ist ohne Weiteres wiederholbar.

Wolfsgrube statt Ponyhof

Wie es Herr Boeddeker seinen einstigen Wendy-Leserinnen wohl klar gemacht hätte, dass sie und ihre Ponys einfach nur hinterm Zaun bleiben müssen, damit ihnen nichts passiert? Mit dem Spruch, dass das Leben kein Ponyhof ist, sondern eine Wolfsgrube?

Sammeln für die Essensspende

Wenn Sie, liebe Leser, die BamS vom 16. Januar zu Hause rumliegen haben sollten, dann schneiden Sie doch vorsichtshalber mal Max Boeddekers Kolumne aus. Wir wollen doch nicht, dass sein „Fressen der eigenen Worte“ zur Schmalhanskost verkommt. Und seien wir ehrlich: Eine bessere Möglichkeit, einem „Experten“ von Dunning-Krugers Gnaden die eigenen anmaßenden Worte in den Rachen zu schieben, kommt so schnell nicht wieder.

Hoffen wir nur, dass für diese Genugtuung geplagter Tierhalter wirklich nicht erst ein Mensch körperlich zu Schaden kommen muss.