Mähdrescher können Kitzen den Tod bringen

Das Reh war Stephanie Jacobs bei einem Spaziergang in einem Rentforter Feld aufgefallen. Wahrscheinlich ein Muttertier mit einem Kitz, vermutete die Anwohnerin. Ein paar Tage später habe ihr Mann einen abgetrennten, kleinen Lauf in dem mittlerweile abgemähten Feld gefunden. Stephanie Jacobs bat den Hegering Gladbeck um Informationen. Sie vermutet, dass ein Mähdrescher das Rehkitz getötet haben könnte.

Felder rechtzeitig absuchen

Die Rentforterin meint: „Die Felder in unserer Gegend sind sehr überschaubar; kann man als Landwirt nicht tätig werden und das Feld absuchen?“ Gerd Tersluisen, Hegering-Obmann für Öffentlichkeitsarbeit, erklärt, dass nach einer Absprache Landwirte ihre Mähtermine melden: „Dann suchen wir Jäger vorher das Feld nach Tieren ab.“

Stra­ßen­ver­kehr

Durch den Stra­ßen­ver­kehr, so be­rich­tet Gerd Ters­lui­sen, wer­den eben­falls Jahr für Jahr „viele tau­sen­de Tiere“ ge­tö­tet, dar­un­ter al­lein bis zu 20 Rehe.

Der Ex­per­te emp­fiehlt Au­to­fah­rern, das Hin­weis­schild „Wild­wech­sel“ nicht zu igno­rie­ren, son­dern vom Gas zu gehen. Die­ser Rat werde al­ler­dings nicht immer an­ge­nom­men. Ter­sluisen be­ob­ach­tet: „In der Haupt­sa­che auf der Horn- und He­ge­stra­ße wird viel ge­rast.“

Dabei sie die­ses Ver­hal­ten nicht nur für das Wild ge­fähr­lich, son­dern auch für die Men­schen am Steu­er – bei­spiels­wei­se durch eine Kol­li­si­on mit einem Bock oder Wild­schwein.
Er sagt: „Entdecken wir beispielsweise Rehkitze, fassen wir sie mit großen Büscheln Gras an und bringen sie außerhalb der Schnittfläche in Sicherheit.“ Dort finden die Ricken ihre Jungen. Tersluisen warnt: „Otto-Normal-Verbraucher sollte die Tiere nicht anfassen.“

Häufigste Opfer: Hasen

Doch diese Rettungsaktionen funktionieren nicht immer. „Die Landwirte sind nun mal wetterabhängig. Wenn sie kurzfristig mähen, haben wir keine Zeit, Tiere im Feld zu suchen“, so der Hegering-Sprecher. Daher gehe „immer einiges Jungwild verloren“. Am häufigsten „erwische“ es Hasen. Sie sitzen Gefahren aus und vertrauen ihrer Tarnfärbung – das werde ihnen zum Verhängnis, wenn eine Mähmaschine mit hoher Geschwindigkeit über das Feld fahre. Dabei sie dieses Verhalten nicht nur für das Wild gefährlich, sondern auch für die Menschen am Steuer – beispielsweise durch eine Kollision mit einem Bock oder Wildschwein.

Straßenverkehr
Durch den Straßenverkehr, so berichtet Gerd Tersluisen, werden ebenfalls Jahr für Jahr „viele tausende Tiere“ getötet, darunter allein bis zu 20 Rehe. Der Experte empfiehlt Autofahrern, das Hinweisschild „Wildwechsel“ nicht zu ignorieren, sondern vom Gas zu gehen. Dieser Rat werde allerdings nicht immer angenommen. Tersluisen beobachtet: „In der Hauptsache auf der Horn- und Hegestraße wird viel gerast.“

Von innen nach außen mähen

Tersluisen erläutert: „Die Ricken legen die Kitze ab, wenn sie geboren sind, schieben Wache und tränken sie.“ In dieser Zeit sei die Gefahr durch Mähdrescher hoch, Kitzrettung sei dann erforderlich. Seien die kleinen Rehe größer, „so etwa nach 14 Tagen“, flüchten sie selbst an den Rain: „Meistens, sobald sie Lärm wahrnehmen.“ Dort treffen sie wieder mit dem Muttertier zusammen. Bauern können den Tieren diesen Fluchtweg an die Feldränder offen halten, „wenn sie von innen nach außen mähen“, so Tersluisen. Kreisbauernschaft und Jägerschaft empfehlen diese Art der Ernte. Doch da liegt der Hase im Pfeffer: „Lohnfirmen fahren, wie sie wollen.“ Dabei könne durch das Prinzip von „Innen nach außen“ viel Wild gerettet werden.

Drohnen und Wärmebildkameras

Tersluisen: „Landwirte besitzen auch akustische Möglichkeiten, um Tiere kurz vor dem Schnittwerk der Mäher zu verscheuchen.“ Flatternde Plastiktüten auf Stangen vertreiben durch die Bewegung und das Geräusch das Wild. Ebenfalls im Einsatz seien manchmal auch schon Drohnen und Wärmebildkameras, die die Felder absuchen – „das ist wohl aber noch Zukunftsmusik.“ Doch welche Methode auch zum Schutz von Kitzen & Co. angewandt werde: „Tiere, die beim Mähen getötet werden, lassen sich auch beim besten Willen aller Beteiligten nicht vermeiden. Es ist sehr traurig, wenn man die Überreste eines solchen Unfalls findet.“

Die Anleinpflicht für Hunde beachten

Sie kennt die Ecken, an denen sich Rehe aufhalten, manchmal sogar als Gruppe mit acht Tieren. Stephanie Jacobs sagt: „Ich mag die Natur hier.“ Die Gladbeckerin weiß es zu schätzen, dass etliche Tierarten in Rentfort und Umgebung heimisch sind: „Ich glaube, vielen ist gar nicht bewusst, in welch’ einem schönen, aber auch fragilen und schützenswerten Umfeld wir hier leben.“

Information und verbesserte Technik

Darauf möchte sie hinweisen: „Keiner sagt etwas und wundert sich später, wenn irgendwann hier keine Rehe mehr ansässig sind.“ Gerd Tersluisen freut sich über die Anfrage, die die Ren­tforterin wegen der Rehkitze in landwirtschaftlich genutzten Flächen an den Hegering richtete: „Sie sind die erste Person, die solch eine Beobachtung meldet.“ Er habe die Hoffnung, dass sich die Lage zu dieser Problematik durch Information und veränderte Technik bessere.

Männliche Schwäne sehr aggressiv

Ein Dauerthema bleibt hingegen, wiederholter Erklärungen zum Trotz, die Anleinpflicht – oder besser gesagt: die nicht eingehaltene Anleinpflicht – für Hunde. Tersluisen: „Sie gilt generell in Naturschutzgebieten und Parkanlagen und sollte unbedingt während der Setz- und Brutzeit eingehalten werden.“ Also noch bis Ende des Monats. Es werde immer wieder zu Tode gehetztes Rehwild gefunden. Manche Hundehalter würden ihre Tiere an Teichen Schwäne jagen lassen. Das könnte den Vierbeinern schlecht bekommen: „Männliche Schwäne sind während der Brutzeit sehr aggressiv.“

Quelle: WAZ Gladbeck – Svenja Suda

20180723_WAZ Gladbeck_Seite 17.