Von Josef Berchtold, Braunvieh (agrarheute.de)
Bauer Matthias Schnyder hat illegal einen Wolf erschossen, um Schafe zu schützen. Vor laufender Kamera nahm er dazu Stellung.
Der Schweizer Fernsehsender SRF strahlte am 13. September in der Rundschau einen Beitrag mit dem Titel „Selbstjustiz in den Bergen: Wenn Wilderer Wölfe töten“ aus. In dem 16 Minuten langen Film macht sich das Fernsehteam auf die Suche nach den „Wilderern“, die illegal das geschützte Raubtier erlegen. Alle im Film Befragten, vorwiegend Bauern, zeigen Verständnis für den Abschuss von Wölfen, aber niemand gibt Hinweise auf einen möglichen Schützen. Schließlich erhalten die SRF-Leute einen Tipp, sie fahren zu Matthias Schnyder aus Brig im Kanton Wallis und der leidenschaftliche Landwirt und Schäfer bekennt sich vor laufender Kamera dazu, einen Wolf erschossen zu haben – nicht um Trophäen zu sammeln oder um zu wildern, sondern aus purer Verzweiflung, um seine Schafe zu schützen.
Zwei Tage vor dem Abschuss riss der Wolf zwölf Schafe
Wenige Tage vor dem Abschuss hatte der Wolf bereits zwölf seiner Schafe gerissen, wie Schnyder gegenüber dem Wochenblatt telefonisch bestätigt. Jeder Bauer und Tierfreund kann sich vorstellen, welches Leid den wehrlosen Tieren hier zugefügt wird. Die Bilder der toten und der verletzten, leidenden Schafe brachte Schnyder nicht mehr aus dem Kopf. Als er die zweite Nacht danach kaum noch schlafen konnte, nahm er sein Jagdgewehr, fuhr zum Stall und traf dort tatsächlich auf den erneut angreifenden Wolf. Aus rund 50 Meter konnte er ihn erlegen. Das ganze ereignete sich im Oktober 2022, wurde aber erst jetzt öffentlich.
Den Wolf mit dem Jagdgewehr aus 50 Meter erschossen
Sehr ruhig und offen erzählt Schnyder in dem Fernsehbeitrag, was in ihm vorgeht und dass es seine Pflicht sei, die Schafe zu schützen. Er sah in diesem Augenblick keinen anderen Weg, um ein weiteres Tierleid zu vermeiden. „Wie soll ich meine Schafe schützen, wenn der Wolf angreift? Soll ich Pfannendeckel gegeneinander schlagen, wie es im Herdenschutz vorgemacht wird. Das funktioniert nicht“, erzählt Schnyder im Interview. Für ihn stand fest: „Es war an diesem Tag der einzige Weg, um ein weiteres Massaker zu verhindern“, erklärt er dem Reporter. Natürlich hätte er nur in die Luft schießen und den Wolf vertreiben können, dann wäre er halt ein paar Tage später wieder gekommen. Auch wenn er laut Gesetz falsch gehandelt hat, ist er persönlich überzeugt, moralisch das richtige getan zu haben. Schnyder weiter: „Ab und zu muss man machen, was man machen muss!“
Der Landwirt wurde für den Abschuss bestraft
„Ich wusste, was ich mache“, erinnert er sich an die besagte Nacht. „Wir haben Gesetze in der Schweiz. Ich wusste genau: Der Wolf ist ein geschütztes Tier. Aber ich habe auch eine Verpflichtung gegenüber meinen Tieren!“ Das einschüssige Jagdgewehr mit Zielfernrohr, mit dem der Landwirt den Wolf geschossen hat, war nicht bei den Behörden registriert. Einen Waffenschein benötigt man dafür in der Schweiz nicht.
Schnyder wurde für den Abschuss des Wolfes von der Staatsanwaltschaft Oberwallis zu einer Buße von 950 Franken sowie einer bedingten Geldstrafe von 4000 Franken verurteilt. „Bedingt“ bedeutet, dass er diesen Betrag nur zahlen muss, wenn er in der Probezeit einen weiteren Wolf rechtswidrig abschießt oder ein ähnliches Delikt begeht. Er erkannte die Strafe an.
Der geschossene Wolf soll über 100 Schafe gerissen haben
Der von Schnyder erlegte Wolf mit der Kennzeichnung M250 hatte nach Auskunft des Landwirtes in einem Jahr nachweislich rund 100 Schafe erlegt, man vermutet sogar bis zu 140 Schafe. Er war zum Abschuss freigegeben, aber von den Jägern nicht erwischt worden. Als Schnyder abdrückte, wusste er nicht, dass es sich um diesen Wolf handelte.
Der Druck auf die Viehhalter im Kanton Wallis ist enorm. Wie Schnyder erzählt, befinden sich in dem Kanton allein rund 100 Wölfe und zwölf Rudel und jedes Jahr gebe es etwa tausend Risse.
Der Landwirt fordert einen professionellen Umgang mit der Thematik. Es gehe darum, dem Raubtier die Grenzen aufzuzeigen. Derzeit würden immer höhere Zäune gebaut und immer mehr Herdenschutzhunde angeschafft, und als Belohnung, dass er diese überwindet, holt sich der Wolf ein Schaf oder ein anderes Nutztier – oder, wie bei Schnyder letztes Jahr, gleich zwölf auf einmal. „Wir müssen dem Wolf wieder Schmerz zuführen, damit er lernt, dass er von den Nutztieren fernbleibt“, sagt Schnyder.
Landwirt erhält tausende positive Rückmeldungen
Das Feedback auf den Fernsehbeitrag ist enorm: Schnyder: „Es gab sehr viel Rückmeldungen, und alle waren positiv. Allein über die sozialen Netzwerke gab es rund 1000 Reaktionen. Der Landwirt selber wollte aus dem Abschuss nie „eine große Sache“ machen, wie er erklärt. Es war schlicht seine Pflicht, die Schafe zu schützen, aber er wäre damit nicht in die Öffentlichkeit gegangen. Schnyder: „Nach 20 Jahren praktizierter Herdenschutz, der nicht funktioniert, müssen wir endlich professionell damit umgehen. Wir müssen den Wolf regulieren!“
Matthias Schnyder bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau Josiane einen Pachtbetrieb mit 180 Mutterschafen, vorwiegend von der Rasse Schwarzbraunes Bergschaf. Die Tiere lammen zweimal jährlich, in der Spitze stehen bis zu 300 Schafe auf dem Betrieb, die mit viel Leidenschaft und Fürsorge versorgt werden. Im Telefonat spürt man, wie Schnyders an ihren Tieren hängen, wie sehr sie in Sorge sind vor weiteren Wolfsrissen.
Bauer vermarktet Fleisch seiner Schafe über Hotels
Bis vor zehn Jahren lebten Schnyders noch vorwiegend von der Milchviehhaltung. Sie hielten neben 25 Mutterschafen noch 30 Braunviehkühe, die sie auf Original Schweizer Braunvieh zurückkreuzten. Auch über einige Hundertausendliterkühe durfte sich der Betrieb schon freuen. Original Braunvieh bezeichnet er als die beste Rasse für seine Betriebsform. Die anstehenden Investitionen beim Milchvieh waren dann der Hauptgrund, dass sich Schnyders zum Ausbau der Schafherde und zum Ausstieg bei den Milchkühen entschieden. Heute stehen noch zwei Kühe im Stall. Das Schaffleisch wird in Zermatt über die Hotels von „Tradition Julen“ vermarktet.