oder: Wie eine ZDF-Serie Weidetierhalter verhöhnt

Von Sabine Leopold (agrarheute.de)

Der Schauspieler Hannes Jaenicke gibt sich gern als Artenschützer. Aktuell setzt er sich im ZDF medienwirksam für Wölfe ein und beweist dabei, wie bestürzend wenig er von Landwirtschaft, Weidehaltung und echtem Artenschutz versteht. Unter dem Vorwand, die Debatte zu versachlichen, macht er Landwirte und Jäger zu Buhmännern. Ein Kommentar.

Hannes Jaenicke war mal wieder „im Einsatz“. Diesmal – im zwölften Teil seiner ZDF-Artenschutz-Serie – für Wölfe. Das ZDF sendete die 45-Minuten-Reportage am 25. Mai 2021 um 22:15 Uhr. Falls Sie das verpasst haben: In der Mediathek des Senders können Sie das Werk nachträglich genießen.

Oder Sie lesen erst mal hier weiter. Das könnte Ihnen, falls Sie schon Weidetiere durch Wolfsrisse verloren haben, viele Tassen Baldriantee ersparen.

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„Wieviel Wolf vertragen wir?“

Mit professioneller Dramatik eröffnet Jaenicke das Schauspiel: „Wieviel Wolf vertragen wir?“, fragt er sein Publikum.

Und er gibt die Antwort verklausuliert gleich mit: In seinem Film drehe es sich gar nicht um den Wolf allein, sondern um unseren generellen Umgang mit der Natur. Nicht, dass noch einer auf die Idee kommt, seine dringliche Frage nach praktischen Lösungen sei auch irgendwie praktisch gemeint. 

Dem Mann mit dem beschwörenden Timbre in der geschulten Stimme geht es ums große Ganze. Und das Drehbuch sorgt für den richtigen Dreh.

Landwirte, Jäger – das Feindbild sitzt

Das klingt dann so:

Weidetierrisse nehmen zu? Überbewertet. „Sogar Blitzeinschläge töten mehr Tiere als der Wolf, trotzdem ist er der Sündenbock.“

Herdenschutzmaßnahmen funktionieren nicht? Ist den Schäfern nur zu viel Arbeit. „Da ist der Abschuss bequemer.“

Problemwölfe müssten bejagt werden? Eine Forderung der schießwütigen Jägerlobby! „Nur 0,5 Prozent der Deutschen besitzen einen Jagdschein. Aber darunter sind Großindustrielle, Politiker, Adlige. Diese Elite hat anscheinend einen enormen Einfluss.“

Man muss eben nur die richtigen Feindbilder in den Köpfen der Zuschauer zementieren.

Einfach Elektrozäune ziehen!

Dabei geben sich Sender, Produktionsfirmen und Promotor des Films anfangs meinungsoffen, fragen sogar bei geschädigten Landwirten nach, wo sie die Lösungen sehen. Ganz klar im Abschuss, sagt Barbara Maurer, eine der betroffenen Schafzüchterinnen.

Damit hat sie allerdings jedes weitere Stimmrecht verspielt, denn ab jetzt zeigt der Film die „richtigen“ Weidetierhalter. Die, die mit dem Wolf und seinem bedingungslosen Schutz kein Problem haben. Unter anderem deshalb, weil es bei ihnen noch keine Wölfe gibt. Wie bei Wanderschäfer Thomas Schranz in Tirol.

Der werde von seinen Berufskollegen angefeindet, heißt es, weil er sich für Herdenschutzmaßnahmen einsetze. Vor der Kamera zeigt er, wie’s richtig geht: Einfach einen wolfssicheren Zaun bauen. Jaenicke: „Und der funktioniert, der hält Wölfe fern?“ Schranz: „Der funktioniert, da ist Strom drauf.“ Aha. Dass da aber auch noch kein anderer Schäfer draufgekommen ist …

Warum nur hat der Wolf keine Freunde unter den Bauern?

Überhaupt sitzt das Framing über die gesamten 45 Minuten Sendezeit bombenfest.

Ja, ja, Weidehaltung ist ökologisch wichtig, keine Frage. Deswegen fördere die EU sie ja auch, was für die Landwirte „ein finanzieller Anreiz“ sei.

Mit anderen Worten: Den Bauern kann man eh nur mit Geld kommen. Wer dafür noch einen Beweis braucht, erfährt, dass auch wolfsichere Weidezäune gefördert werden, aber leider nicht aus einem Extrabudget, sondern aus dem großen Subventionstopf.

„Hat der Wolf auch deshalb kaum Freunde unter den Landwirten?“, fragt Hannes Jaenicke ebenso so bedeutungsschwer wie rhetorisch.

Moderne Landwirtschaft trägt die eigentliche Schuld

Aber das ist noch längst nicht hoch genug aufgehängt. Jaenicke stellt unverzagt die alles entscheidende Frage: „Oder geht es darum, dass die Landwirtschaft, so wie wir sie kennen und derzeit betreiben, bald gegen die Wand fährt?“ Jawoll! Und der Wolf, der arme Kerl, muss dafür den grauen Kopf hinhalten …

Denn schließlich, so erklärt es Jaenicke während der fleißigen PR-Arbeit für seinen neuen Film gegenüber der Internet-Nachrichtenagentur teleschau, sei das alles doch ohnehin eine total verlogene Debatte. Immerhin würden Schafe sowieso irgendwann „auf einen Tiertransport gepfercht, zum Schlachthof gefahren und brutal geschlachtet […]“. Ob das denn besser sei als vom Wolf gerissen zu werden?

Yellowstone und die Karpaten als Vorbild

Am Ende erfährt das geneigte Publikum noch, dass nur wir Nord- und Westeuropäer Probleme mit dem Wolf haben. In Regionen, in denen der Beutegreifer nie ausgerottet war, ist alles paletti. Im Yellowstone Nationalpark in den USA zum Beispiel. Keine Konflikte zwischen Anwohnern und Wölfen. Gut, dort lebt auch außer ein paar Parkangestellten niemand, aber wir wollen nicht kleinlich sein.

In den Karpaten funktioniert es doch auch. Als Beweis spricht Jaenicke dort mit einem Schäfer: Ein Prozent seiner Herde verliere der jährlich an den Wolf. Aber nur, weil er „nicht richtig gehütet“ habe, wie er demütig bekennt.

Dass seine Berufskollegen sich mittlerweile mit ganzen Herdenschutzhunderudeln umgeben und dass in Rumänien nicht ganz legal, aber behördlich geduldet fleißig Wölfe abgeschossen werden, erwähnt der Film lieber nicht. Dabei gilt der Balkanstaat als „Wolfsjagdreiseland Nr. 1“. So bewirbt es ein österreichischer Anbieter auf seiner Internetseite. Und das zu supergünstigen Preisen – wie alles in diesem bettelarmen Land.

Leben wie ein Schäfer in Rumänien

Doch das weiß Hannes Jaenicke nicht. Oder er will es nicht wissen. Er fordert stattdessen: Der Wolf müsse von den Weidetierhaltern als Chance verstanden werden. Durch ihn gewinne der Beruf des Schäfers endlich seine ursprüngliche Bedeutung als Hüter der Schafe zurück.

So wie im schönen Rumänien, wo der Wolf nie weg war, und wo Schäfer noch heute in althergebrachter Tradition, Wertschätzung und Harmonie leben. Und in erbärmlicher Armut.

Zynischer kann man wohl nicht mehr werden.