Einer der elegantesten und schnellsten Greifvögel unserer Heimat ist der Wanderfalke, der auch „Taubenstößer“ genannt wird. Eigentlich passt der Name „Taubenstößer“ besonders gut zu ihm, denn er lebt zu einem großen Teil von Tauben, die er im Flug schlägt. Aber auch an der Kleinvogelwelt und am Flugwild hält er sich schadlos. Wegen seines rasanten Fluges und seiner gewaltigen Stoßgeschwindigkeit schlägt er seine Beute nur im Fluge. Rücksichtslose Verfolgung im 19. Jahrhundert, als das Schaden- Nutzen-Denken gängige Praxis war, haben ihn zu einen der seltensten Greifvögel Deutschlands werden lassen. Erst die Bewachung der allerletzten Horste in Bayern und die große Nachzucht- und Aussetzaktion der Falkner des Deutschen Falkenordens, haben den Bestand des eleganten Jägers wieder stabilisiert. Heute ist der Wanderfalke bei uns fast überall wieder zu beobachten. Man muss aber ein geübtes Auge haben, um ihn überhaupt zu sehen.

Bei uns, im Ruhrgebiet, herrscht die höchste Bestandsdichte der Wanderfalken unserer gesamten Republik.

Das liegt an der Bebauung der Landschaft mit Fabrikanlagen, Schornsteinen, Kühltürmen und Hochhäusern. Ja auch Kirchtürme werden als Horstplatz genutzt, wenn man dem Falken dort einen Nistplatz anbietet.

Beobachtungen im vergangenen Jahr

Im letzten Jahr hatte ich mehrere Begegnungen mit Wanderfalken, die erzählenswert sind.
Viele Pirschgänge werden von mir in einem Feuchtgebiet im Bereich der Stadt Dorsten durchgeführt. Eines Tages, zu Beginn des Monats Mai, vernahm ich während eines Pirschganges in meiner unmittelbaren Nähe den gellenden Todesschrei einer Lachmöwe. Sofort fing mein Blick die Möwe ein. Sie war über die Seite abgekippt und streckte eine Schwinge senkrecht abwehrend nach oben. Ein Wanderfalke stieß an der Möwe vorbei, unterfuhr sie im Bogen, wurde durch den Schwung seines Stoßes ca. siebzig Meter über sein Opfer getragen und startete sofort wieder einen neuen Angriff. Das Ganze erfolgte ohne einen einzigen Schlag seiner Schwingen.

Die Möwe stieß wieder ihren Todesschrei aus und das soeben Erlebte wiederholte sich. Der Falke schoss abermals an seinem Opfer vorbei, sauste unter der Möwe hindurch und steilte wie vorher auf.
Wieder hatte die ihm entgegengestreckte spitze Schwinge der Möwe den Falken am Todesstoß gehindert und die Lachmöwe gerettet. Noch einmal wiederholte der Falke seinen Angriff in gleicher Art, auch dieses Mal ohne Erfolg. Danach stieg der Jäger auf. Erst in diesem Moment sah ich, dass hoch am Himmel ein zweiter Falke auf ihn wartete. Beide Vögel entschwanden meinen Blicken, offensichtlich mit knurrendem Magen. Das Ganze passierte keine sechzig Meter von mir entfernt. Obwohl ich meine Kamera mitführte, war ich nicht in der Lage dieses Gerät überhaupt zu heben. Das Geschehen verlief rasend schnell und dauerte gefühlte 8 Sekunden.

Dieses Erlebnis zeigt wieder einmal, dass der Wanderfalke durch seine gewaltige Stoßgeschwindigkeit zu Tode käme, würde sein Stoß durch einen spitzen Gegenstand aufgefangen.
Wenn das nur die Tauben wüssten! Aus dem gleichen Grunde jagt der Taubenstößer auch keine Wildtiere am Boden. Er würde seinen Körper zerschmettern.

Beobachtung eines Trainingsprogrammes

Es war vor einigen Jahren, zur Zeit der Taubenjagden, ungefähr Mitte Juli. Wir besaßen eine amtliche Sondergenehmigung und durften Schwarmtauben erlegen.

Freund Reiner saß in einer Pferdekoppel unter drei Birken, die regelmäßig von Tauben überflogen wurden. Ich saß in seiner Nähe am Waldrand, hinter einem Erdbeerfeld. Plötzlich sahen wir, weit entfernt, einen schwarzen Punkt am Himmel, der hinter einem anderen schwarzen Punkt herflog und ihn in der Luft ergriff. Der erfolgreiche Greifvogel, den ein solcher musste es sein, steuerte mit seiner Beute einen vierhundert Meter vor uns liegenden Waldrand an und stieß einen Lockruf aus. Sofort lösten sich, laut girrend, drei Jungvögel aus den Randbäumen des Wäldchens und flogen dem Elternteil entgegen. Der steilte auf und ließ seine Beute auf die Jungvögel hinabfallen. Der Reihe nach versuchten alle drei halbstarken Falken diese Beute zu ergreifen. Das misslang aber.

Der Atzung zutragende Vogel sauste wieder unter seine Jungvögel und ergriff die Beute noch in der Luft. Abermals steilte er, ohne mit den Schwingen zu schlagen auf und das Spielchen wiederholte sich. Beim zweiten Mal hatte der erste Vogel zugegriffen, aber offensichtlich nicht richtig. Er ließ die Beute wieder los. Sein zweites Geschwister griff wieder daneben und Vater oder Mutter mussten abermals den Übungsvogel ergreifen, aufsteilen und die Jungvögel mit der Beute bei Laune halten. Erst beim dritten Versuch, gelang es einem AZUBI, die Beute zu ergreifen. Mein Jagdfreund und ich wurden somit Zeuge einer Trainingseinheit für junge Wanderfalken.

Freund Reiner sagte mir damals: „So etwas habe ich noch nie gesehen. Was habt ihr nur für fantastische Flattermänner im Revier.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Auf unsere Wanderfalken sind wir jedenfalls sehr stolz. Wir wünschen ihnen immer Waidmannsheil und ein frohes Jagen.

Ein erster Fotoerfolg

Eine weitere Begegnung führte jetzt endlich zu einem kleinen Fotoerfolg. Am 5.Mai saß ich auf einer niedrigen Kanzel, um Rehwild zu fotografieren. Vor mir lag eine Wiese, die an ihrem östlichen Rand von einer Hecke begrenzt wurde. Aus der Mitte der Hecke ragte eine einzelne Eiche heraus, die der Trockenheit nicht standhalten konnte und deren kahlen Äste anklagend in den Himmel ragten. Wiese und Hecke lagen inmitten einer großen Mais- und Getreidefläche. Der Baum ist der ideale Auslug für allerlei Vögel. –  Tauben, Krähen und Dohlen, der Habicht, der Sperber, Turmfalken und auch Bussarde nutzen ihn als Ruheplatz. – Ja, in ihm ist immer etwas los.

Heute saßen im Baum fünf Dohlen und tatsächlich … ein Wanderfalke. Ich rieb mir die Augen.
Obwohl die Entfernung alles andere als fotogerecht war (150 m), nutzte ich all meine technischen Möglichkeiten, um den Vogel abzulichten. Das gelang schließlich ca. dreißig Mal. Der Vogel bekam plötzlich Besuch seines deutlich kleineren Partners und als der sich anschickte abzustreichen, ratterte der Motor meiner Kamera. Die Ergebnisse sehen Sie in den beigefügten Aufnahmen.

Interessant an dieser Beobachtung ist die Tatsache, dass sich fünf Dohlen in dem Baum befanden, um den Falken herumhüpften, aber sich nicht in die Luft begaben. Sie wussten offensichtlich genau, dass sie hier im Baum vor den Angriffen des Falken sicher waren. So sieht man, dass in der Natur die Beute eines Prädators Strategien entwickelt, um mit ihm weitestgehend in Ruhe leben zu können.

In unserem Revier nisten die Falken schon seit mindestens 30 Jahre. Über die Lage ihres Horstes haben wir stets geschwiegen und das wird auch so bleiben. Die Vögel sollen Ruhe haben und von niemanden gestört werden. Sie sollen sich auch weiterhin wohl fühlen. Wir sind jedenfalls froh, sie im Revier zu haben.

Gerd Tersluisen (Hegering Gladbeck)

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